Musica/Cultura/Sociologia
Die fortlaufende Vortragsreihe Musica/Cultura/… widmet sich Musik aus kulturwissenschaftlichen Forschungsperspektiven und setzt dabei einen Schwerpunkt auf fächerübergreifende und methodische Fragestellungen. Jährlich sucht sie den Bezug zu einem anderen benachbarten Fach. Im Anschluss an die Auftaktreihe Musica/Cultura/Storia sollen 2025/2026 im zweiten Zyklus die Verbindungen von Kulturwissenschaft, Soziologie, Sozialgeschichte und Musikwissenschaft ausgeleuchtet werden.
Diese haben eine lange Tradition: In der deutschen Musikwissenschaft, die sich aufgrund der Bedeutung dieser Kunstform für den deutschen Bildungskanon bereits früh akademisch etablierte, nahm die Musiksoziologie beinahe von Anbeginn an eine zentrale Rolle in Form von Musikpsychologie oder Musikethnologie ein. Max Weber, der an die musikethnologische Forschung von Carl Helmholtz oder die wahrnehmungspsychologischen Untersuchungen von Friedrich Carl Stumpf anknüpfte, verband historisch-musiktheoretische Modelle von Pythagoras über Jean Philippe Rameau bis hin zu Johann Sebastian und Johann Christian Bach, indem er diese soziologisch für ihren jeweiligen kulturellen und zeitlichen Kontext deutete. Theodor W. Adorno argumentierte in seiner Einführung in die Musiksoziologie hingegen v.a. ästhetisch und interpretierte kulturkritisch populäre und musikantische wie auch Tendenzen der zeitgenössischen Avantgarde. In der französischsprachigen Soziologie verfolgte Pierre Bourdieus Forschung zur sozialen Bedeutung von Kunstrezeption, kulturellem Kapital und Habitus aufgrund seiner empirischen Methode einen Ansatz, mit der er nicht zuletzt eine andere Lesart der Kulturkritik anbot. Schließlich etablierte in Großbritannien das Birmingham Center for Contemporary Cultural Studies eine Methode, die populäre Kulturprodukte als Grundlage für soziologische Analysen verwendete und so anders als etwa die Frankfurter Schule den kritischen Anspruch an die Rezipierenden fallen ließ. Stattdessen adressierte sie primär die sozialen Umstände, womit sich vor allem ein anderer politischer Anspruch verband.
Aktuelle Arbeiten aus dem Feld der Kultursoziologie verbinden diese diversen Ansätze, indem sie sich sowohl auf Theoreme der kritischen Theorie berufen, als auch popularkulturelles Material und Medien als Grundlage ihrer Forschung verwenden. Zudem stellen sie neue Fragen, die etwa emotionssoziologische oder historische Themen umfassen. Während aufgrund der veränderten Untersuchungsgegenstände zunächst die Aufhebung der Unterscheidung von High- und Lowbrow-Musik gefordert wurde, verlagerte sich das Interesse seither zunehmend von der Bewertung künstlerischer Artefakte auf kulturelle Alltagspraktiken. Dementsprechend entdeckte auch die historische Forschung das Potential von Musik als Untersuchungsgegenstand für sozialgeschichtliche Fragestellungen. Dies wurde seitens der deutschen Musikwissenschaft eher zögerlich angegangen, wohingegen die italienische Musiksoziologie sich bereits früh an dezidiert politischen Fragestellungen interessiert zeigte.
Im Rahmen der Reihe Musica/Cultura/Sociologia sollen diese nationalen Traditionen der (musik-)soziologischen Forschung beleuchtet werden. Die Reihe umfasst Vorträge von Forscher:innen, die sich aus unterschiedlichen Disziplinen – der Soziologie selbst, der Musikwissenschaft und der historischen Forschung – mit Musik als soziologischem und sozialgeschichtlichem Gegenstand befassen. Neben der Vortragsreihe wird im Oktober 2025 außerdem die Fachgruppe Musiksoziologie und Sozialgeschichte der Musik am DHI in Rom tagen.
Termine:
5.5.2025
Nicolò Palazzetti: Il paradiso perduto. Il fandom dell’opera nell’età digitale
23.6.2025
Nicolai Okunew: “Sind eben nur für Musik da.” Heavy-Metal-Fans in der DDR
29.9.2025
Silke Borgstedt: Prototypisch untypisch – Sinus-Milieus, musikalischer Geschmack und die Vermessung des Alltags
13.10.2025
Lello Savonardo: Sociologia della musica. La costruzione sociale del suono dalle tribù al digitale
17.11.2025
Steffen Lepa: Streaming, Liveness und die Pandemie. Digitale Mediamorphosen des Musiklebens im frühen 21. Jahrhundert als Generationenphänomen