Sprache und die materielle Kultur der Musik (Themenworkshop auf der 49. Österreichische Linguistiktagung)

Sprache und die materielle Kultur der Musik

CfP für einen Themenworkshop auf der 49. ÖLT, 05.-08. Dezember 2025, Klagenfurt

Elias Schmitt (Universität Koblenz), Maik Exner (Universität Koblenz)

Wenn Linguist*innen Musikkultur untersuchen, wird ihre Diskursivität in der Regel (vgl. exemplarisch Bär 2024; Stöckl 2011; Thim-Mabrey 2001) mittels Korpora auf journalistische Textsorten kapriziert. Durch diesen Fokus auf das fertige Musikwerk und dessen medial schriftliche Vermittlung verliert man den Blick für die Praktiken kreativen Handelns, für die Diskursivität ‚im Handgemenge‘, die mehr umfassen als symbolische Objektbezüge von Zeichen (vgl. Peirce 1998 [1894]). Demgegenüber weitet eine posthumanistische (vgl. Pennycook 2017) wie praxeologische (vgl. Spitzmüller et al. 2017) Brennweite den Blick auf Beschreibungen musikalischen Handelns aus einer Subjektposition (vgl. Foucault 1973: 75) der Künstler*in, in der auf die Verkörperung von Musik (vgl. Hiekel & Lessing 2014; Oberhaus & Stange 2017) und die material-agency (vgl. Barad 2012) musikkultureller Gegenstände reflektiert wird.

In unserem interdisziplinären Workshop wollen wir genau diese kommunikativen Praktiken musikalischen sowie musikkulturellen Handelns im Bezug auf die Materialität von Kultur untersuchen. Dabei könnten wir uns folgende Schwerpunkte für die einzelnen Beiträge vorstellen:

  • Wie kann der in einer Äußerungssituation vermittelte Erfahrungszusammenhang, in der (musikkulturelle) Dinge agentiell aktiv sind, reflektiert werden?
  • Welche philosophischen, soziologischen, anthropologischen Vorannahmen sind für diese Reflexion kommunikativer Praktiken im musikkulturellen Kontext relevant?
  • Inwiefern beeinflussen sich Aspekte materieller Agency und konkreter Sprachgebrauch gegenseitig?
  • Wie kann diese Interdependenz einer linguistischen Untersuchung zugänglich werden?
  • Inwiefern sind Aspekte der materiellen (und auch leiblichen! (vgl. Gallagher 2020)) Agency konstitutiv sowohl für den Sprachgebrauch als auch für kommunikative Praktiken?
  • Inwiefern können Theorien einer gebrauchsbasierten kognitiven Linguistik (vgl. zusammenfassend Zima 2021) hier innovatives Interpretationspotential entfalten?
  • Und wie kann dabei die Rolle der Medien in ihrer Materialität unter medienlinguistischer Perspektive herausgearbeitet werden?

Ziele unseres Workshops sind die gemeinsame Diskussion folgender Relationen: Zunächst soll die wechselseitige Beziehung zwischen Sprache und Nicht-Sprache beleuchtet werden, so wie sie etwa im Posthumanismus (vgl. Braidotti 2013), in den ‚material culture studies‘ (vgl. Samida et al. 2014) und dem New Materialism (vgl. Coole/Frost 2010) reflektiert wird, um durch diese Rückbindung an außersprachliche Materialität Alternativen zum sprachlichen Konstruktivismus auszuloten. Dies wirft auch Fragen zum Verhältnis von materieller Kultur und Immaterialität auf, für deren Bearbeitung sich gerade meist nicht mit dem Materiellen in Verbindung gesetzte Kulturphänomene wie Sprache und Musik besonders eignen. Vor dem Hintergrund dieser zwei Humanspezifika lässt sich schließlich der Zusammenhang zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem in Bezug auf deren agentielle Rolle im kreativen und kommunikativen Handeln neu in den Blick nehmen und die Frage stellen: Ermöglicht die Reflexion von Musikkultur unter diesen Vorzeichen einen methodologischen Einfluss auf Fragen der Diskursivität von Kultur insgesamt?

Um der interdisziplinären Bandbreite dieser Fokus und unserer Ziele gerecht zu werden, planen wir für unseren Workshop fünf Beiträge à 20 Minuten + 10 Minuten Diskussion je Vortrag sowie einen begrüßenden Eröffnungsvortrag und eine kurze Abschlussdiskussion bzw. Verabschiedung. Bei Interesse schicken Sie Ihre 150 bis 300 Wörter langen Abstracts bitte bis spätestens 30. September an elschmitt@uni-koblenz.de Bitte achten Sie bei Ihren Literaturangaben auf das Unified Style Sheet for Linguistics.

 

Literatur:

Bär, Christian. 2024. Musikdiskurse. Sprachliche Muster, Dichte, Diversität im Sound populärer Musikrezensionen. Berlin/Boston: Walter de Gruyter.

Barad, Karen. 2012. Agentieller Realismus. Berlin: Suhrkamp.

Braidotti, Rosi. 2013. The Posthuman. Cambridge: polity.

Coole, Diana/Frost, Samantha (ed.). 2010. New Materialisms. Ontology, Agency, and Politics. Durham: Duke University Press.

Cox, Arnie. 2017. Music and Embodied Cognition. Listening, Moving, Feeling, and Thinking. Bloomington/Indianapolis: Indiana University Press.

Foucault, Michel. 1973. Archäologie des Wissens. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Gallagher, Shaun. 2020. Action and Interaction. Oxford: Oxford University Press.

Hiekel, Jörn Peter/Lessing, Wolfgang (ed.) 2014. Verkörperungen der Musik. Interdisziplinäre Betrachtungen. Bielefeld: Transcript.

Katz, Mark. 2010. Capturing Sound. How Technology has changed Music. Revised Edition. Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press.

Kim, Jin Huyn. 2007. Toward Embodied Musical Machines. In: Lischka, Christoph/Sick, Andrea (ed.), Machines as Agency. Artistic Perspectives, 18-35. Bielefeld: Transcript:

Oberhaus, Lars / Stange, Christoph (ed.). 2017. Musik und Körper. Interdisziplinäre Dialoge zum körperlichen Erleben und Verstehen von Musik. Bielefeld: Transcript.

Peirce, Charles S. 1998 [1894]. What Is A Sign? In: Peirce Edition Project (ed.), The Essential Peirce. vol. 2, 4- 10. Bloomington/Indianapolis: Indiana University Press.

Pennycook, Alastair. 2017. Posthumanist Applied Linguistics. London. Routledge.

Samida, Stefanie/Eggert, Manfred K. H./Hahn, Hans Peter (ed.) 2014. Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Stuttgart / Weimar: Verlag J.B. Metzler.

Spitzmüller, Jürgen/Flubacher, Mi-Cha/Bendl, Christian. 2017. Soziale Positionierung als Praxis und Praktik. Einführung in das Themenheft. Wiener Linguistische Gazette 81. 1–19.

Stöckl, Hartmut. 2011. An den Grenzen des Sagbaren. Schreiben über Musik – Sprachliche Ressourcen der Klangbeschreibung. Kodikas/Code 34/1-2. 145-165.

Thim-Mabrey, Christiane. 2001. Grenzen der Sprache – Möglichkeiten der Sprache. Untersuchungen zur Textsorte Musikkritik. Frankfurt u.a.: Lang.

Zima, Elisabeth. 2021. Einführung in die gebrauchsbasierte Kognitive Linguistik. Berlin/Boston: Walter de Gruyter.

Call for Papers

Typ: Veranstaltung

Sprache und die materielle Kultur der Musik (Themenworkshop auf der 49. Österreichische Linguistiktagung)

Veranstalter*innen:
Maik Exner, Elias Schmitt

Deadline:
30.09.2025

Universität Klagenfurt

05.12.2025

bis 08.12.2025