"5. Beethoven-Studienkolleg: Editionspraxis am Beispiel der Diabelli-Variationen"

Bonn, 27.-29.08.2012

Von Sophia Gustorff, Berlin – 06.09.2012 | Zum fünften Mal lud das Beethoven-Haus Bonn junge Musikwissenschaftler zum Studienkolleg ein, das in diesem Jahr vom 27. bis 29. August zum Thema „Beethoven edieren. Einführung in die Editionspraxis" stattfand. Die aus Mitteln des Beauftragten für Kultur und Medien finanzierte Veranstaltung bietet vornehmlich Studierenden, aber auch Doktoranden und Absolventen die Gelegenheit, sich über die universitäre Ausbildung hinaus weiterzubilden, zu orientieren und auszutauschen. Die Werkedition wurde unter Anleitung von Bernhard R. Appel, Leiter des Beethoven-Archivs und Initiator der Kolleg-Reihe, am Beispiel der Diabelli-Variationen op. 120 geübt.

Aufgabe der 14 Kollegiatinnen und Kollegiaten war es, für ausgewählte Textstellen die Kollationierung von Autograph, überprüfter Abschrift und Erstdruck durchzuführen und daran anschließend Herstellungsvorlage und Lesartenverzeichnis der entsprechenden Stellen zu erstellen. Das Arbeitsmanuskript der Diabelli-Variationen, das 2009 dank großangelegter Spenden- und Benefizaktionen in die Sammlung des Hauses aufgenommen werden konnte, eignet sich in besonderer Weise zur Veranschaulichung der kompositorischen Arbeit Beethovens: Die Absicht, eine Reinschrift zu verfassen, scheint nach nur wenigen Seiten aufgegeben oder auch, wie der Leiter des Beethoven-Museums und Handschriften-Experte Michael Ladenburger erklärte, vergessen worden zu sein. Die Schrift bestätigt durch zahlreiche Proben wilder Streichungen, spontaner Zusätze, unklar erscheinender Verbalkommentare und Tintenflecke einerseits das klischeebelastete Bild des chaotischen Genies, gewährt aber insbesondere durch die Plastizität der Schreib- und Korrekturphasen andererseits intime Einblicke in den äußerst dynamischen, sich zur einer Fassung durchringenden Arbeitsprozess und auch die Gedankengänge des Komponisten während der Niederschrift. Letztere sind in herausragender Weise an dem zur Mittelzäsur immer breiter werdenden Schriftbild der Fugen-Variation nachzuvollziehen, welches die Visualisierung einer musikalischen Geste nahelegt.
Darüber hinaus bot das Kolleg den Teilnehmern die Möglichkeit, den Kollegen und den Mitarbeitern des Beethoven-Archivs eigene Forschungsprojekte zu präsentieren. Die Interessen der Referenten erwiesen sich dabei als breit gefächert: Neben philologischen (Carlotta Marturano: Beethovens Klaviersonate op. 90: Aspekte der Textgeschichte und der Interpretationstradition) und editionskritischen Fragen (Federica Rovelli: Barry Coopers Neuausgabe sämtlicher Klaviersonaten Beethovens) bildeten Werkanalyse (Richard Sänger: Beethovens Trio op. 1 Nr. 3 – Eine Nucleus-Theorie) und die Zusammenhänge zwischen Biografie bzw. äußeren Einflüssen und Schaffen Beethovens (Dominique Ehrenbaum: Die Instrumentalfuge in Beethovens Spätwerk, Malgorzata Grajter: Beethovens Textauswahl in seiner Vokalmusik) zentrale Aspekte der Untersuchungen.