„Italienische Musik in Deutschland und Frankreich – Parallelen und Diagonalen"

Saarbrücken, 26.-28.10.2012

Von Stephanie Klauk, Rom – 21.01.2013 | Aus Anlass des 70. Geburtstags von Reinhard Strohm veranstaltete das Institut für Musikwissenschaft der Universität des Saarlandes in Kooperation mit der Musikgeschichtlichen Abteilung des Deutschen Historischen Instituts Rom eine Tagung zum Thema „Italienische Musik in Deutschland und Frankreich – Parallelen und Diagonalen".
Die kurz zuvor bekannt gewordene Auszeichnung Reinhard Strohms mit dem Balzan-Preis war eine erfreuliche Koinzidenz. Der Titel des von Prof. Dr. Rainer Kleinertz und Prof. Dr. Corinna Herr geleiteten Symposiums reflektiert neben der geographischen Lage des Veranstaltungsortes das breite historische Spektrum an Themen, um die sich Strohm mit seinen Forschungen zur europäischen Musikgeschichte verdient gemacht hat.

Die Beiträge waren chronologisch geordnet. So eröffnete Astrid Opitz (Saarbrücken) das Symposium mit einem Aspekt ihrer Dissertation: „Zum Modus von Guillaume Dufays ‚Quel fronte signorille in paradiso' und ‚Craindre vous vueil, doulce dame de pris'". Sie machte deutlich, dass eine aus der einstimmigen Liturgie abgeleitete Sicht auf den Modus des 15. Jahrhunderts auch zur formalen Werkanalyse weltlicher mehrstimmiger Werke einen wichtigen Beitrag zu leisten vermag. Einen Überblick „Zum Transfer italienischer Musik am Beispiel der bayerisch-französischen Beziehungen unter Ludwig XIV." gab Margret Scharrer (Saarbrücken), während Melania Bucciarelli (Trondheim) den ersten Symposiumstag mit einem Beitrag zu „Senesino: an Italian Castrato in Dresden 1717‒1720" beschloss, in dem sie u. a. eine bisher unbekannte Korrespondenz zwischen Senesino und Giuseppe Riva vorstellte.
Corinna Herr (Bochum) begann den zweiten Kongresstag mit einem Thema, das auf ihre erste wissenschaftliche Hausarbeit bei Reinhard Strohm zurückgeht: „‚Le due Rodelinde': Konzeptionen bei Georg Friedrich Händel und Carl Heinrich Graun". Der Beitrag über die „Italienische Opera seria und ihre Ableger im ersten öffentlichen Opernhaus in Wien" wurde als Zwischenergebnis eines gemeinsamen Projektes zweigeteilt präsentiert: Andrea Sommer-Mathis (Wien) informierte über die Geschichte des Wiener Kärntnertortheaters in der Zeit von 1728 bis 1748, während Reinhard Strohm (Oxford) Ausführungen über das entsprechende musikalische Repertoire, darunter beispielsweise die erste Opera seria in deutscher Sprache, hinzufügte. Ergänzend zu Betrieb und italienisch geprägtem Opernrepertoire feststehender Theaterhäuser gab Juliane Riepe (Halle/Saale) anhand von unveröffentlichten Briefzeugnissen einen anschaulichen Einblick in den Alltag zeitgenössischer Wandertruppen („L'impresario in angustie. Angelo Mingotti und die Logistik einer italienischen Wandertruppe im Deutschland der 1750er und 1760er Jahre"). Parallel zur Rezeption italienischer Opernmusik im deutschsprachigen Raum untersuchte Michel Noiray (Paris) die Adaption der Opera seria in Frankreich anhand eines exemplarischen Libretto- und Partiturvergleichs („Casti's and Paisiello's Il re Teodoro in Venezia from Burgtheater to Théâtre Royal Italien, 1784‒1815)", während Stephanie Klauk (Rom) die „Rezeption italienischer Instrumentalmusik bei Mozart" mit Hilfe des ‚Deklamationsprinzips' (vgl. Strohm, „Merkmale italienischer Versvertonung in Mozarts Klavierkonzerten", in: Analecta Musicologica 18, 1978, S. 219−236) plausibel zu machen versuchte. Michele Calella (Wien) stellte in seinem Beitrag „einige imagologische Überlegungen" zum „Französische[n] als parodistisches Stereotyp in der italienischen Opera buffa des 18. Jahrhunderts" an, bevor Arnold Jacobshagen (Köln) unter dem Titel „Napoleon, Rossini, Metternich: Anmerkungen zur französisch-deutschen Musikpublizistik um 1820" einen schlaglichtartigen Überblick der Kritik an deutscher und französischer Musik von Kiesewetter, Marx, Schumann und Wagner bot. Rainer Kleinertz (Saarbrücken) stellte am Ende des zweiten Kongresstages die provokante Frage: „Die ‚Idee der absoluten Musik': eine deutschnationale Mystifikation?", die er mit Hilfe einer umfassenden Darstellung der Begriffsgeschichte und deren Kontextualisierung beantwortete.
Der Beitrag von Sabine Henze-Döhring (Marburg) „Verdi und die Opéra – Werkadaptionen", der für den Beginn des letzten Symposiumtages vorgesehen war, musste krankheitsbedingt leider entfallen. Sieghart Döhring (Thurnau) untersuchte die „Verdi-Rezeption in Meyerbeers Spätwerk". Obwohl Meyerbeer Verdi-Opern bereits ab Oberto ausgiebig rezipierte, finden sich italienisierende Melodietypen erst in Meyerbeers letzter Oper L'Africaine, wo sie gezielt zur Erweiterung der dramatischen Konzeption bzw. der Ausdrucksmöglichkeiten genutzt werden. Im abschließenden Vortrag „‚Spunti italiani': Italienische Musikgeschichte in der deutschen Instrumentalmusik des 20. Jahrhundert am Beispiel des Quintetts Variationen über ein Thema von Padre Martini op 1. (1926) von Reinhard Schwarz-Schilling" hob Markus Engelhardt (Rom) die nur sehr begrenzten italienischen Perspektiven deutscher Komponisten der 1920er Jahre hervor. Strohm betonte in einem Diskussionsbeitrag, wie stark er selbst von dieser Generation in seiner musikalischen Ausbildung geprägt wurde.
Die Publikation der Beiträge ist in der Reihe Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft vorgesehen.