Dis|Kontinuitäten - Zur Historiographie der Oper zwischen Weimarer Republik und früher Bundesrepublik

Internationales Symposion

Bonn, 18.-21.05.2023

Deadline: 15.04.2022

Konzeption und Organisation: Tobias Janz (Universität Bonn) und Benedetta Zucconi (Universität Bonn) in Zusammenarbeit mit dem Theater Bonn

Zäsuren der politischen Geschichte bestimmen das Bild, das wir uns von der Musikgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machen. Mit guten Gründen sind die Jahreszahlen 1933 und 1945 (wie auch 1918 und 1914) immer wieder zur musikhistorischen Periodisierung herangezogen worden. Die Geschichte der Oper ist hierbei keine Ausnahme, das Musiktheater der Weimarer Republik und die Situation der Oper im Nationalsozialismus sind ebenso klar konturierte wie intensiv erforschte musikgeschichtliche Themenbereiche. Und dass die „Stunde Null“ im Selbstverständnis der Avantgarde nach 1945 auch ein Ende der Oper bedeutete, ist ein musikgeschichtlicher Topos, der sich ebenfalls an die Periodisierung der politischen Geschichte anlehnt.

In dem Maße, in dem der Begriff Zäsur das Moment der historischen Diskontinuität akzentuiert, rücken naturgemäß die historischen Kontinuitäten in den Hintergrund, die sich in anderer historiographischer Hinsicht zeigen. So einschneidend etwa die kulturpolitischen Maßnahmen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten auch im Bereich der Oper waren, bedeuteten sie keineswegs den kompletten Bruch mit der Musikkultur der Weimarer Republik. Mit Blick auf allgemeine Aspekte der Gesellschaftsstruktur und den Medienwandel dürften die Kontinuitäten sogar größer gewesen sein als die zwischen der Weimarer Zeit und der Situation vor dem Ersten Weltkrieg. Die Zäsur 1933 verweist zudem auf Verschiedenes, sie erhält ihren jeweils spezifischen historiographischen Sinn und unterschiedliches Gewicht, wenn man nach ihrer Bedeutung für die Rezeption Meyerbeers, die Geschichte der Operette, das Opernschaffen Richard Straussʼ, die Verdi- oder Händel-Renaissance im 20. Jahrhundert oder das Schicksal der „Zeitoper“ fragt. Entsprechend unterschiedliche Auskünfte wird man für die Zäsur 1945 erhalten: Ihrer Symbolik für eine am künstlerischen Fortschritt orientierte Kompositionsgeschichte steht nicht allein die Ambivalenz gegenüber, die etwa die zwischen Kontinuität und Diskontinuität changierende Rezeption Richard Wagners nach dem Ende des Nationalsozialismus auszeichnet. Die nach dem Zweiten Weltkrieg entstehenden kompositorischen Sprachen legitimierten sich ihrerseits durch die Konstruktion einer die Epochenzäsur übergreifenden, d. h. in die Weimarer Jahre oder gar vor den Ersten Weltkrieg zurückreichenden idealisierten Kontinuität zu den klassischen Avantgarden. Der Fokus auf vermeintlich ideologiefreie Probleme des kompositorischen Materials und der kompositorischen Technik ließ dabei die ideologieanfällige Gattung der Oper in den Hintergrund treten.

Das Symposion Dis|Kontinuitäten: Zur Historiographie der Oper zwischen Weimarer Republik und früher Bundesrepublik möchte solche Spannungen diskutieren. Spannungen, die sich aus einer Konfrontation operngeschichtlicher Diskontinuitäten mit ihnen gegenüberstehenden Kontinuitäten ergeben. Der zeitliche Rahmen des Untersuchungszeitraums ist dabei bewusst so gewählt, dass er mehrere historische Zäsuren und Periodisierungsmöglichkeiten umgreift. Vorträge können jeweils beide Aspekte (den der Diskontinuität und den der Kontinuität) in Betracht ziehen und ihren Gegenstand idealerweise in die Perspektive des von der Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik reichenden Bogens rücken. Dabei soll es nicht darum gehen, etablierte operngeschichtliche Epochengrenzen zu relativieren oder ihren Konstruktionscharakter nachzuweisen. Ziel ist es vielmehr, auf der Grundlage einer Reflexion über gattungsgeschichtliche Kontinuitäten und Diskontinuitäten ein genaueres Bild der Vielschichtigkeit und Nichtlinearität geschichtlicher Zusammenhänge herauszuarbeiten. Das Beispiel eines begrenzten Ausschnitts der Operngeschichte in Deutschland mag dann insgesamt als Modell für den Umgang mit der komplexen Musikgeschichte im 20. Jahrhundert dienen.

Ausgerichtet in Kooperation zwischen der Universität Bonn und dem Theater Bonn stellt das Symposion den wissenschaftlichen Beitrag zum künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekt FOKUS ’33 – Forschungsreise zu den Ursachen von Verschwinden und Verbleiben dar, das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaften des Landes Nordrhein- Westfalen und dem NRW KULTURsekretariat gefördert wird, und folgende Neuinszenierungen in den Spielzeiten 2021/22 und 2022/23 plant:

Richard Strauss, Arabella
Rolf Liebermann, Leonore 40/45
Giacomo Meyerbeer, Ein Feldlager in Schlesien
Clemens von Franckenstein, Li-Tai-Pe
Kurt Weill, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Franz Schreker, Der singende Teufel (Premiere am 21.05.2023. Besuch der Generalprobe im Rahmen des Kongresses)
Alberto Franchetti, Asrael
Arnold Schönberg, Moses und Aron

Beiträge zu bestimmten Aspekten dieser Werke oder des Schaffens ihrer Komponisten sind ebenso willkommen wie Beiträge zur übergeordneten Fragestellung des Symposions. Kongresssprachen sind Deutsch und Englisch. Eine Publikation der Beiträge ist für 2025 geplant.

Wir freuen uns über die Einsendung Ihres Abstracts (500 Wörter) bis zum 15. April 2022 an die Adresse: bzucconi@uni-bonn.de