Lasting Impressions: Music and Material Cultures of Print in Early Modern Europe

Salzburg, 28.-30.06.2018

Von Andrea Lindmayr-Brandl, Salzburg – 03.01.2019 | Im Rahmen des Forschungsprojekts Music printing in German-speaking lands: From the 1470s to the mid-16th century fand an der Universität Salzburg eine internationale Fachtagung zum Thema Notendruck statt. Thematisch knüpfte die Veranstaltung, die von der Projektleiterin Andrea Lindmayr-Brandl und den Projektmitarbeitern Grantley McDonald und Moritz Kelber organisiert wurde, an die Konferenz GOOD IMPRESSIONS: The First Century of Music Printing and Publishing an, die im Jahr 2015 an gleicher Stelle stattfand. Neben Vorträgen zu Quellentypen, zur Medialität und Materialität von Musikdrucken, zu transnationalen Netzwerken sowie zu Repertoire- und Rezeptionsfragen stand auch ein Besuch in einer Salzburger Druckwerkstatt und ein Gesprächskonzert mit dem Vokalensemble Stimmwerck auf dem Programm der Tagung.

Eröffnet wurde sie von der Projektleiterin und von Walter Berka, der die Anwesenden im Namen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften begrüßte. In dem sich daran anschließenden Eröffnungsvortrag gab Lindmayr-Brandl einen Überblick über das Druckwesen im deutschsprachigen Raum Anfang des 16. Jahrhunderts: Die Beschäftigung mit dem frühen Musikdruck habe durch den Perspektivenwechsel – weg vom Komponisten, hin zum Objekt – „lasting impressions“ hinterlassen und zu einem allgemeinen Interesse an materiellen Kulturen geführt.

Der erste Themenblock beschäftigte sich mit Drucktechniken und Druckmaterialien. Augusta Campagne (Wien) widmete ihren Vortrag den italienischen Musikdrucken Simone Verovios, die im Kupferstichverfahren hergestellt wurden. Diese Drucktechnik stellt aufgrund der leichten Manipulierbarkeit der Kupferplatten besondere Herausforderungen an die gängigen bibliographischen Klassifizierungsverfahren von Musikbüchern. Rebekah Ahrendt (Utrecht) zeichnete den Weg eines Typensatzes von Brüssel nach Amsterdam nach und beleuchtete dessen Einfluss auf den europäischen Buchmarkt. Sie unterstrich die Bedeutung eines europäischen Netzwerks von Buchdruckern und Buchhändlern und deren Mobilität.

In der Sitzung über Musikdrucke in den Niederlanden und Frankreich präsentierte Martin Ham (Surrey) die Ergebnisse seiner Forschung zur Datierung und Kontextualisierung der Motetten- und Chansonsammlungen des Verlegers Tylman Susato und dessen Einfluss auf andere Musikdrucker, wie etwa auf Pierre Phalèse. Dessen Töchter und deren Bedeutung für die Verbreitung von geistlicher Musik aus Italien in Nordeuropa im 17. Jahrhundert waren Gegenstand des Vortrags von Maria Schildt (Uppsala). Es folgte eine Präsentation von Leendert van der Miesen (Berlin) über die technischen und sozialen Schwierigkeiten beim Druck der Harmonie universelle von Marin Mersenne.

Der Hauptvortrag, der den ersten Tagungstag abschloss, wurde von Kate van Orden (Cambridge, MA) gehalten. Van Orden unterstrich das Spannungsverhältnis von Immobiltät und Mobilität, das für das junge Musikverlagswesen so prägend war. Dabei griff sie immer wieder auf Erkenntnisse zurück, die im Rahmen eines empirisch-archäologisch rekonstruierten Produktionsprozesses eines venezianischen Drucks aus dem frühen 16. Jahrhunderts generiert wurden.

Das Privilegienwesen im frühen Musikdruck eröffnete thematisch den zweiten Tag: Grantley McDonald (Salzburg/Wien) erörterte die bürokratischen Prozesse rund um die Verleihung von Druckprivilegien im Heiligen Römischen Reich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Antragskosten und Strafzahlungen deutete er als eine frühe Form marktwirtschaftlichen Risikomanagements. Stephen Rose (London) untersuchte die Wirkung kursächsischer Druckprivilegien im 17. Jahrhundert. Sie dienten, Rose zufolge, weniger dem Schutz geistigen Eigentums als dem Investitionsschutz der Geldgeber.

Royston Gustavson (Canberra) und Louisa Hunter-Bradley (London) beschäftigten sich in ihren Vorträgen mit der Verlagsarbeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Am Beispiel der Nürnberger Offizin Berg & Neuber und der erhaltenen Verlagskataloge konnte Gustavson weitreichende Rückschlüsse auf Verlustraten und Verkaufspreise ziehen. Hunter-Bradley kartierte das internationale Vertriebsnetzwerk der Officina Plantiniana in den letzten zwei Dekaden des Jahrhunderts. Hierbei unterschied sie nicht nur nach Genres des Musikdrucks, sondern auch nach Formaten und ihren spezifischen Markanforderungen.

Im Anschluss begaben sich die Teilnehmenden in die Grafische Werkstatt im Georg-Trakl-Haus zu einem Workshop, der Einblicke in die vielfältigen handwerklichen Tätigkeiten einer Druckwerkstatt bot. Nach der Erläuterung verschiedener Drucktechniken wie Holzschnitt, Kupferstich und Typensatz sowie der dazugehörigen Werkzeuge wurde dazu eingeladen, selbst zur Tat zu schreiten.

Die Sitzung über den Musikdruck im deutschsprachigen Raum eröffnete Beat Föllmi (Straßburg) mit einem Vortrag zu straßburgischen Gesangbüchern. Im Fokus standen hierbei vor allem spezifisch konfessionelle und lokale Einflüsse auf Repertoire und Druckwerk. Moritz Kelber (Salzburg) präsentierte einen bislang unbekannten Stimmbuchsatz aus der Werkstatt des Wittenberger Druckers Georg Rhau, der heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird. Der Druck enthält als einzige Komposition eine siebenstimmige Motette Johann Walthers, mit einem Huldigungstext auf die Stadt Annaberg im Erzgebirge.

Calo Bosi (Salzburg) schloss mit einen Vergleich dreier deutscher Sammlungen mit Messvertonungen an, die bei Johann Petreius, Hieronymus Formschneider und Georg Rhau in der Zeit zwischen 1539 und 1545 gedruckt wurden und als erste Versuche einer Kanonisierung des liturgischen Repertoires gedeutet werden können. Barbara Dietlinger (Chicago) beleuchtete die konfessionellen Unterschiede im Umgang mit geistlicher Musik im Deutschland des frühen 17. Jahrhunderts am Beispiel der Florilegia Portense des Erhard Bodenschatz Promptuarium musicum, die von Johannes Donfried Erhard herausgegeben wurden. Der zweite Tag schloss mit einem Gesprächskonzert des Ensembles Stimmwerck und der Cembalistin Gosia Klajn in der Alten Aula der Universitätsbibliothek, bei dem neben deutschen Liedern und lateinischen Motetten auch Intabulierungen bekannter Vokalsätze erklangen. Die drei Programmteile präsentierten Beispiele aus den Liederbüchern von Erhard Oeglin, Arnt von Aich und Georg Forster, die durch Grantley McDonald und Moritz Kelber schlaglichtartig vorgestellt wurden.

Der Musikdruck im englischsprachigen Raum stand im Fokus der Präsentationen von Samantha Arten (Durham, NC) und James Ritzema (London). Arten stellte anhand von Annotationen in den erhaltenen Exemplaren des Whole Book of Psalmes Überlegungen zur Rezeption gedruckter Notation in Gesangbüchern und zum Gebrauch der Bücher selbst an. Ritzema analysierte hingegen eine Wiederveröffentlichung von Georg Victorinusʼ Sammlung Siren Coelestis in einer Ausgabe aus dem Jahr 1638, in der herkömmliche Musiknotation durch eine experimentelle Form ersetzt wurde, die auf arabischen Ziffern basiert.

Zum Abschluss der Tagung stellte Lindmayr-Brandl die Forschungsdatenbank vdm (Verzeichnis deutscher Musikfrühdrucke, http://www.vdm.sbg.ac.at) vor, in der aktuell über tausend Editionen verschiedener Quellentypen aus dem Zeitraum von ca. 1470 bis 1550 erfasst sind. In diesem Kontext wurde auch das von der Geoinformatikerin Caroline Atzl (Salzburg) entwickelte Visualisierungstool präsentiert.