Musikquellen des 19. Jahrhunderts in Deutschland – Herausforderungen und Chancen

München

21.–22.11.2023

Obwohl die Musik der sogenannten Romantik, Spät- und Nachromantik einen Schwerpunkt der musikgeschichtlichen Forschung wie der musikalischen Praxis bildet, ist der Zugang zu den originalen Quellen dieser Musik dezentral und insgesamt uneinheitlich, während älteres handschriftliches und gedrucktes Notenmaterial tendenziell vollständig, mindestens aber systematisch vom Répertoire International des Sources Musicales (RISM) erfasst und durch Katalogisierung erschlossen wird. Die exponentielle Vermehrung der musikalischen Materialien im 19. Jahrhundert legte bisher eine pragmatische Terminierung nahe.
Nicht zuletzt die neuen technischen Möglichkeiten lassen die Frage aufkommen, ob auch der zentrale Nachweis von Musikalien aus späterer Zeit erstrebenswert und erreichbar sei. Im Rahmen der Tagung sollen Vorüberlegungen zu einer solchen Ausweitung des Erfassungsprogramms angestellt werden, wobei zur thematischen Begrenzung lediglich die deutsche Quellenlandschaft des 19. Jahrhunderts ins Auge gefasst wird.
Die Referate erörtern die Spezifik des einer immer stärkeren Diversifizierung unterzogenen musikalischen Quellenkorpus, ordnen einzelne Quellensorten in das Spektrum zwischen individuellem Kontext und massenhaftem Auftreten ein, stellen digitale Optionen zur Darstellung komplexer Sachverhalte und von Quellenabhängigkeiten vor, prüfen technische Möglichkeiten zur Bewältigung großer Mengen und loten den Nutzen eines zen-tralen Notennachweises für Musikgeschichtsschreibung und Musikpraxis aus.
Ein abschließendes Roundtable mit Vertretern aus Musikpraxis, Bibliotheks- und Verlagswesen, digitaler und historischer Musikwissenschaft bündelt die Perspektiven in einer Diskussion über Nutzen und Realisierbarkeit eines erweiterten Arbeitsauftrags.

Das Symposium wird zur Feier der vor 70 Jahren eröffneten deutschen Arbeitsstelle von RISM in der Bayerischen Staatsbibliothek München veranstaltet und von einer Poster-Präsentation der Musikabteilung »Erschließung des Historischen Archivs des Musikverlags B. Schott’s Söhne« begleitet (Friedrich-von-Gärtner-Saal, Ludwigstraße 16, 80539 München)
Die Tagung wird von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur gefördert.
Der Eintritt ist nach Anmeldung frei.
Kontakt: nicole.schwindt@doz.hfm-trossingen.de
Siehe auch: https://de.rism.info/de/events/2023/10/19/Symposium.html

Tagungsprogramm

Dienstag, 21. November 2023
9:00 Uhr  Begrüßung und Einführung
Dr. Dorothea Sommer (Stellv. Generaldirektorin der BSB) und Prof. Dr. Nicole Schwindt (RISM-D)

Musikquellen des 19. Jahrhunderts: Spezifik ihrer Veränderung
9:15 Uhr  Dr. Roland Schmidt-Hensel (Berlin): »Autograph, Skizze, Stichvorlage – Überlegungen zur handschriftlichen Quellenüberlieferung von Musik des 19. Jahrhunderts«

9:45 Uhr  Dr. Daniel Fromme (Speyer): »Neue Formate, Formen und Materialien – Musikalienvielfalt in zwei Speyerer Kirchenmusiksammlungen des 19. Jahrhunderts«

10:15 Uhr  Diskussion
10:45 Uhr  Kaffeepause

Oper und Theatermusik: Komplexe Materialien
11:15 Uhr  Prof. Dr. Daniela Philippi (Frankfurt a.M.): »Quellenvielfalt durch posthume Rezeption – Facetten des Eigenlebens Gluck’scher Opern und ihrer Zeugen«

11:45 Uhr  Prof. Dr. Andreas Münzmay und Lena Frömmel (Paderborn): »Schauspiel, Musik, Archiv – Herausforderungen im Umgang mit komplexen verteilten Quellenmaterialien am Beispiel des Stuttgarter Faust (1832)«

12:15 Uhr  Diskussion
12:45 Uhr  Mittagspause

Fallbeispiel Richard Strauss
14:15 Uhr  Dr. des. Marcel Klinke (Heidelberg): »Die Abschriften der frühen Werke von Richard Strauss: Schreiber, Kontexte, Funktionen«

14:45 Uhr  Dr. Andreas Pernpeintner und Dr. Stefan Schenk (München): »Strauss als publizierender Komponist – Quellen eines ‚langen 19. Jahrhunderts‘«

15:15 Uhr  Diskussion
15:45 Uhr  Kaffeepause

Umgang mit Drucken: Recherche und Auswertung
16:15 Uhr  Dr. Christin Heitmann (Bonn): »Spezifika von Beethoven-Drucken – Methoden und Ergebnisse des Forschungsprojekts ‚Das Handwerk des Verlegers‘«

16:45 Uhr  Dr. Thomas Synofzik (Zwickau): »Stimmen ohne Partitur – Zur Problematik einer
Publikationsform bei Robert Schumann und seinen Zeitgenossen«

17:15–17:45 Uhr  Diskussion

19:00 Uhr  Konzert: »Die erste Komponistin unserer Zeit«. Lieder und Kammermusik von Luise Adolpha Le Beau (1850–1927) interpretiert von Studierenden der Gesangs- und Instrumentalklassen der Hochschule für Musik und Theater München
Lesesaal Musik/Karten/Bilder der Bayerischen Staatsbibliothek München
Eintritt frei mit Anmeldung unter werkstattkonzert@bsb-muenchen.de

Mittwoch, 22. November 2023
Digitale Vernetzung von Quellen

9:15 Uhr  Dr. Susanne Cox und Richard Sänger (Bonn): »Beethovens Revisionsprozesse und ihre digitale Darstellung«

9:45 Uhr  Dr. des. Maximilian Rosenthal (Leipzig): »Die Bedeutung von Verlagsbüchern und der Musikverlagsdatenbank für die Erschließung von Quellen des 19. Jahrhunderts«

10:15 Uhr Diskussion
10:45 Uhr Kaffeepause

Roundtable

11:15 Uhr  »Wie wollen, wie können und wie sollen wir in der Zukunft mit Musikquellen in Deutschland umgehen?«

Dr. Norbert Gertsch (München)
Prof. Dr. Kai Köpp (Bern)
Dr. Balázs Mikusi (Frankfurt a.M.)
Dr. Kristina Richts-Matthaei (Paderborn)
Prof. Dr. Hartmut Schick (München)
Prof. Dr. Barbara Wiermann (Dresden)
Moderation: Prof. Dr. Nicole Schwindt (Trossingen)

12:30 Uhr  Ende