Musica e pace. Nuove ricerche sull’Età moderna

Rom, 17.05.2017

Von Giuseppina Crescenzo, Weimar – 31.07.2017 | Politische Ereignisse, so auch Friedensschlüsse, finden ihr ganz besonderes kulturelles Echo, das wiederum auch in der Politik nicht ohne Einfluss bleibt. Diese Wechselwirkungen gilt es bewusst zu machen und zu analysieren. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Musik und die anderen Künste? Im Rahmen des interdisziplinären und internationalen Dreijahresprojekts der Leibniz-Gemeinschaft unter dem Titel „Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Repräsentationen des Friedens in der Frühen Neuzeit“ gibt es seit 2015 eine wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz, dem Deutschen Historischen Institut in Rom (Musikgeschichtliche Abteilung), der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und dem Historischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Das Verbundprojekt nimmt die vielfältigen kulturellen Repräsentationen des Friedens im vormodernen Europa in den verschiedenen Disziplinen in den Blick. Es umfasst neben dem an der Musikgeschichtlichen Abteilung verorteten musikwissenschaftlichen Projekt „Topoi der Friedensrepräsentation in der italienischen Kantate (17.–18. Jahrhundert)“ eine Reihe weiterer Teilprojekte, die sich nun unter der Moderation von Markus Engelhardt, dem Leiter der Musikgeschichtlichen Abteilunng, im Rahmen eines Studientages am Deutschen Historischen Institut in Rom vorstellten.

Henning P. Jürgens (Mainz) gab Einblicke in sein theologisch-historisches Projekt über Friedenspredigten, in dem er auf der Grundlage von etwa 400 gedruckten Predigten, Gebeten und Gesangstexten untersucht, wie diese im 16. und 17. Jahrhundert die protestantischen Gottesdienste in Deutschland, den Niederlanden und England prägten, auf welche Weise und mit welchen ethischen Appellen den Gläubigen zum Abschluss der Kriege im Rahmen von Dank- und Festgottesdiensten der Eintritt in die Friedensphase vermittelt wurde. Franziska Bauer (Wolfenbüttel) berichtete über ihr Göttinger Dissertationsprojekt zum Thema Iustitia, Concordia, Pax – Darstellung, Vermittlung und Legitimation von Frieden in Dichtungen von 1648 bis 1763. Einerseits dienen die Gedichte zur Vermittlung politischer Ideen, andererseits transportieren sie auch spezielle Topoi, die mit den Friedensereignissen verbunden sind. Eine weitere Doktorarbeit des Verbundprojekts wird von Anna Lisa Schwartz (Nürnberg) erarbeitet. Unter dem Titel „Nicht mit Blut, sonder dinten“. Auswirkungen frühneuzeitlicher Diplomatie auf Friedensdarstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts erforscht Schwartz am Germanischen Nationalmuseum die bildliche Darstellung von Friedensschlüssen im Wandel der Zeit. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass in diesen Bildern die Auswahl des Sujets und die Art seiner Präsentation nicht ausschließlich eine Domäne der politisch Verantwortlichen war. Peggy Große (Nürnberg)ebenfalls Doktorandin am Germanischen Nationalmuseum, stellte die informatische Seite des Projekts vor. Denn das „Friedensvokabular“, das im Verbundprojekt erforscht wird, wird zugleich mit semantic-web-Methoden erschlossen. Mit Hilfe speziell entwickelter Software sollen zum Abschluss des Projekts Ergebnisse der Forschungen auf einer gemeinsamen Internetplattform zugänglich gemacht werden.

Chiara Pelliccia (Rom) erläuterte ihr Teilprojekt Topoi der Friedensrepräsentation in der italienischen Kantate. Thema sind italienische Kantaten und Serenaden des 17. und 18. Jahrhunderts, in denen Topoi des Friedens durch Bilder, Beschreibung, Symbole und Allegorien der mythologischen und religiös-biblischen Welt präsent sind. In ihrem Vortrag analysierte Pelliccia den Kantatentext „Non cessate Aquiloni, io voglio guerra“ von Carlo Francesco Cesarini, der die Reise von Papst Innocent XII. nach Nettuno und Anzio zum Thema hat. In ihm lasssen sich auch Bezüge auf den Frieden von Rijswijk ausmachen. Die Kantate steht im Kontext einer eindrucksvollen Festveranstaltung und bedient sich zentraler Topoi, die für die Darstellungen des Friedens in den Kantaten der Zeit typisch sind.

Nastasja Gandolfo (Würzburg) konzentrierte sich auf die Kantate La Pace e Marte supplicanti avanti al trono della Gloria von Carlo Agostino Badia (1701). Sie erläuterte Zeit und Umstände der Komposition, kommentierte die beiden wichtigsten Aufführungen in Italien und im Ausland und ging auf die Vernetzheit der Begriffe „Cantata“ und „Serenata“ ein.

Der zweite Teil des Studientags bot dann in die musikwissenschaftliche Thematik des Studientags einführende Keynote lectures von Referentinnen und Referenten, die nicht dem Projekt angehören.

Stefan Hanheide (Osnabrück) bezog sich in seinem Referat Politischer Frieden als Sujet in Kompositionen der Frühen Neuzeit auf verschiedene Ausprägungen von Friedensmusik. Dafür analysierte er ein breites Repertoire von Beispielen und zeigte, dass Musik in viel signifikanterer Form den Krieg darzustellen vermag als den Frieden. Freilich verweist er auf kompositorische Stereotype, denen semantische Bedeutung zukommt und die so den Frieden sinnlich wahrnehmbar machen können: dazu gehören der Dreiertakt, der als Symbol der Trinität auf den durch Gott herbeigeführten Frieden zu verweisen vermag; lang gehaltene Töne, die einen Eindruck der Friedensruhe vermitteln können; lange Pausen, die auf die Unendlichkeit verweisen und Echoeffekte, die Gottes wohlwollende Zustimmung zum Frieden repräsentieren können. Auch in der Pastorale mit ihren sizilianischen Rhythmen sieht Hanheide eine besondere Ausdrucksform der Friedensthematik.

Teresa Maria Gialdroni (Rom) zeigte in ihrem Referat Cantata e pace nel contesto CLORI wichtige Möglichkeiten für die Recherche mit der Datenbank CLORI (Archivio della Cantata italiana) im Blick auf Forschungen des musikwissenschaftlichen Teilprojekts. So kann mit CLORI das Kantatenrepertoire beispielsweise auch nach dem Auftreten von Topoi durchsucht werden. Dabei wird deutlich, wie der Topos des Friedens nicht nur auf politische Ereignisse verweist, sondern auch ganz andere Bereiche berühren kann.

Zum Abschluss der Vortragsreihe des Studientags sprach Sabine Ehrmann-Herfort (Rom) über das Thema „Wie klingt der Frieden? Repräsentationen des Friedens in der Musik um 1700“ und zog dazu hauptsächlich Beispiele aus dem Umfeld des Spanischen Erbfolgekriegs und seiner Friedensschlüsse heran. Auch sie thematisierte nochmals die Schwierigkeiten, welche die Musik bei der Darstellung eines Friedensujets hat und verwies in diesem Zusammenhang auf die stereotype Verwendung textlicher wie musikalischer Darstellungsmittel. Da freilich Friedensrepräsentationen der Frühen Neuzeit häufig in Festkontexten stattfinden, wo der Frieden im Einzelwerk bisweilen gar nicht explizit genannt wird, obwohl er omnipräsent ist (zum Beispiel in Georg Friedrich Händels Utrecht Te Deum and Jubilate), müssen auch diese Kontexte der Friedensfeiern in den Blick genommen werden, was das musikwissenschaftliche Forschungsfeld noch einmal beträchtlich erweitert.

Den Abschluss des römischen Studientags bildete ein Konzert mit selten gespielten Friedensmusiken aus der Zeit des 15. bis ins 18. Jahrhunderts (Iustitia et pax osculatae sunt “Friedensmusik”. Musica e pace dal Quattrocento al Settecento), dargeboten vom Ensemble Chordis. Das Ensemble hatte das Programm der Friedensmusiken exklusiv für dieses Konzert erarbeitet und zusammengestellt und präsentierte ein vielfältiges Vokal- und Instrumentalmusikprogramm von Dufay bis Bach.