Opera as Institution: Networks and Professions (1700-1914)

Graz, 23.-24.11.2018

Von Sara Kebe, Graz – 19.03.2019 | Die internationale Konferenz, die vom Institut für Musikwissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg veranstaltet wurde, befasste sich sowohl mit dem Geschehen auf den Opernbühnen Europas als auch hinter den Kulissen im 18. und langen 19. Jahrhundert. Um neueste Ergebnisse aus der Forschung zu präsentieren und diskutieren, trafen sich Vortragende aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Schweden und Tschechien.

Eröffnet wurde die Konferenz durch den Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung der Karl-Franzens-Universität Graz, Peter Scherrer. Danach standen die italienische und französische Oper des 18. und 19. Jahrhunderts auf dem Programm. Den Eröffnungsvortrag hielt Suzanne Aspden (Oxford), die über Kosmopolitismus in London im 18. Jahrhundert referierte. Aspden beschäftigte sich vorwiegend mit der Frage, ob und inwiefern die eher abweisende Einstellung der Briten gegenüber der italienischen Oper die ganze britische Operninstitution prägte. Judit Zsovár (Wien) ging in ihrem Vortrag „Farinella at the Vienesse Kärtnertortheater, 1730-1732“ ausführlich auf die Karriere der Sängerin Maria Camati ein, die den Künstlernamen „Farinella“ trug. Aufgrund der gesungenen Rollen, die äußerst unterschiedlich waren, und ihres virtuosen Koloraturgesangs gehörte Farinella zu den gefragten Sängerinnen ihrer Zeit. Daniel Brandenburg (Salzburg) erläuterte, wie Netzwerke und die Kommunikation zwischen den „Operisti“, den Sängerinnen und Sängern der italienischen Oper, im 18. Jahrhundert aus deren Sicht funktionierten. Anhand der Korrespondenz zwischen Franz und Marianne Pirker, die als Künstlerehepaar europaweit tätig waren, wurden wesentliche Komponenten beleuchtet, die für eine erfolgreiche Opernproduktion wichtig waren.

Im zweiten Teil der Tagung widmeten sich drei Vorträge der französischen Oper des 18. und 19. Jahrhunderts. Solveig Serre (Tours) thematisierte den Zusammenhang zwischen der Académie royale de musique und dem politischen System der damaligen Zeit. Um die Entwicklung der französischen Oper besser verstehen zu können, ist es von großer Bedeutung, auch die politischen Elemente und deren Einfluss auf die Musik zu berücksichtigen. Mark Everist (Southampton) war bei der Tagung nicht anwesend, seinen Vortrag verlas Matthew Werley (Salzburg). Darin wurde das Verhältnis zwischen der französischen Regierung und dem Management der Opernhäuser und Theater unter die Lupe genommen. Es handelte sich hierbei um die sogenannten Regierungskommissionen, die vom Minister beauftragt wurden und dafür sorgten, dass das Repertoire sorgfältig ausgewählt und vorbereitet wurde. Über zwei Sopranistinnen und zwei Karrieren berichtete Clair Rowden (Cardiff). Beide Sängerinnen, Caroline Miolan Carvalho und Christine Nilsson, wurden in Paris zwischen 1867 und 1875 engagiert, was dazu beitrug, dass sich ihre professionellen Wege auf den Opernbühnen ständig kreuzten. Rowden untersuchte, wie externe Faktoren die Karrieren der beiden Sängerinnen beeinflussten und welche Rolle sie für den Erfolg der Sopranistinnen spielten.

Im dritten Panel gab Franco Piperno (Rom) in seinem Vortrag „Azione sacra per musica: Freemasonry and the Neapolitan Sacred Drama Repertory for Lenten Operatic Seasons“ einen Einblick ins Freimaurertum und dessen Bestrebungen für das neue Repertoire in der neapolitanischen Oper. Die Sujets dieser neuen Oper stammten aus dem Alten Testament und wurden darüber hinaus aus politischen Gründen eingeführt. Richard Erkens (Rom) widmete sich in seinem Vortrag dem Engagement italienischer Opernsängerinnen und –sänger am russischen Hof in der Saison 1734/35. Anhand von Dokumenten, die lange Zeit in privatem Besitz des Impresarios Luca Casimiro degli Albizzi waren und kürzlich neu entdeckt wurden, beleuchtete Erkens die Netzwerke zwischen Agenten und Impresarios, die sowohl in Italien als auch in Russland tätig waren.

Der zweite Tag warf Schlaglichter auf die Oper des 19. Jahrhunderts. Im Vortrag von Lenka Křupková, die aufgrund von Krankheit verhindert war, und Jiří Kopecký „Olomouc’s ‚Half-year‘ Provincial Theatre and Its Repertoire“ konnte man sich anhand von Quellen aus diesem Theater ein Bild über die Oper in Olmütz verschaffen. Kopecký verglich dies mit anderen Provinztheatern in der Habsburger Monarchie, wie etwa in Graz oder Ljubljana, und fragte nach den Gründen, warum die Theater aus der Peripherie in krisenhafte Zeiten gerieten. Karin Hallgren (Vaxjo) thematisierte den Wandel der königlichen Hofoper in Stockholm, die im 19. Jahrhundert zunehmend dem Bürgertum geöffnet wurde. Wie und warum es zu dieser Veränderung kam, wurde anhand des Archivmaterials der königlichen Oper verdeutlicht. Dabei beleuchtete Hallgren auch andere Instanzen, die für das Verständnis des Opernbetriebs in Stockholm relevant waren: sowohl die Auswahl der Kompositionen als auch die Auswahl der Prima donneVon Nord nach Süd orientierte sich der darauffolgende Vortrag. Es handelte sich dabei um die Adriatische Küste, wo die italienische Oper während des 19. Jahrhunderts ihr anderes Zuhause fand. Cristina Scuderi (Graz) sprach in ihrem Vortrag über das Produktionssystem der Oper auf der östlichen Seite des Adriatischen Meers nach der Vereinigung Italiens im Jahr 1861. Dabei wurden verschiedene Komponenten einer Opernproduktion angesprochen: der Transport des Bühnenbilds und der Kostüme, die Kommunikation zwischen Impresari und die Bezahlung der Sänger und Sängerinnen.

Der Oper in London widmeten sich zwei Vorträge, die unter dem Thema „19th Century Opera: Aristocratic vs. Private“ am darauffolgenden Tag stattfanden. Ingeborg Zechner (Salzburg) diskutierte den transnationalen Transfer der Opernwerke und erörterte die Netzwerke zwischen zwei italienischen Opernhäusern außerhalb von Italien, dem Her Majesty’s / King’s Theatre in London und dem Théâtre Royal Italien in Paris. Im letzten Vortrag beschäftigte sich Michael Burden (Oxford) mit dem Debüt einer deutschen Operntruppe in London. Es ging dabei vorwiegend um den Impresario Thomas Monck Mason, der sich Anerkennung verschaffte, indem er die neue deutsche Oper in Londons italienischem Opernhaus King’s Theatre vorstellte.

Die neuen Erkenntnisse, die bei dieser zweitägigen Tagung präsentiert wurden, wären ohne die sorgfältige Archivarbeit der Vortragenden schwer zustande gekommen. Es zeigte sich deutlich, dass im Bereich der Opernforschung noch sehr viel Potenzial für neue Studien liegt. Unterstrichen wurde das auch durch lebhafte und konstruktive Diskussionsbeiträge, die jeden Vortrag abrundeten. Die Publikation der Beiträge ist beim LIT Verlag vorgesehen.