Kommission für Auslandsstudien

Das internationale Profil der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung 2021 war der Kommission für Auslandsstudien ein gebotener Anlass, um Erfahrungen und Perspektiven der Forschung im Ausland in der Fachcommunity publik zu machen und kritisch zu diskutieren. Die attraktiven Förderoptionen gut ausgestatteter Forschungsinstitutionen im europäischen und weltweiten Verbund werden im Fach Musikwissenschaft heute vergleichsweise wenig genutzt, fungieren jedoch oft als entscheidendes Karrieresprungbrett. Diese Dynamiken sind im Panel dargestellt und diskutiert worden. Im Spannungsfeld zwischen der Öffnung der akademischen Fächer in einer globalisierten Welt und den national gewachsenen Traditionen der Einrichtungen bieten Auslandseinrichtungen heute aktuelle Forschungscluster sowie Schutzräume für individuelle Recherchen. Sabine Ehrmann-Herfort, Christoph Flamm, Sabine Meine

Forschen im Ausland. Erfahrungen und Perspektiven

Ziel der folgenden Seiten ist es, Interessierten Kolleginnen und Kollegen Erfahrungen und Perspektiven zu Musikforschungsaktivitäten im Ausland bereit zu stellen. Unseren Fokus setzen wir auf Forschungsoptionen in Musikwissenschaftskarrieren, für die wir bei der jüngeren Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen werben möchten. Denn die heutige Situation ist nicht mehr die gleiche wie noch vor 25 Jahren. Trotz attraktiver Angebote von Forschungsförderungen werden diese heute scheinbar weniger genutzt.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Die „Erasmus“-Programme der Universitäten machen es leichter, Auslandssemester zu organisieren, wenngleich sich die finanzielle Förderung in Grenzen hält und man nicht davon ausgehen kann, dass Erasmusstudien bereits Forschungserfahrungen eröffnen.Reisen sind generell erschwinglicher und noch alltäglicher geworden, so dass Wünsche nach Aufbruch und Abenteuern in unbekannte Ländern nicht unbedingt im Rahmen von Forschungsaufenthalten ausgelebt werden müssen. Die Palette an Forschungsthemen ist breiter und bunter geworden. Forschungskarrieren fußen gleichermaßen auf Arbeiten zum Hip-Hop in Kölner Clubs, zur Musik in Gulag-Lagern der UdSSR wie zur Hochzeitsmusik der Medici in Florenz – Auslandsaufenthalte sind nicht mehr zwingend, um spannende Forschungsthemen zu entwickeln. Zudem, und dies fällt besonders ins Gewicht, hat sich die Struktur des akademischen Mittelbaus verändert. Bereits für Promotionen ist man heute wissenschaftliche/r Mitarbeiter:in, und es erfordert logistischen Aufwand und wohlwollende Chef:innen, um die Arbeit durch lange Auslandsaufenthalte zu unterbrechen.

Und dennoch: Die aktiv Beteiligten an diesem Symposium eint die Erfahrung, entscheidende Karrierephasen mit Forschungen im Ausland verbracht haben, die ihren Karrieren einen besonderen Kick gegeben und ihr Fachprofil geprägt haben. Wir konnten dank der guten bis exzellenten Förderoptionen intensive und vertiefte Forschungserfahrungen machen, für die es meiner Meinung nach nötig ist, den akademischen Alltag mit seiner Schnelllebigkeit und seinem Aktionismus zu verlassen. Den Mut zu haben, sich auf Zeiten der Muße und Vertiefung, aber auch der Unsicherheit in einem unbekannten Kontext einzulassen, lohnt sich unbedingt. Zudem sind Förderoptionen, die von Deutschland aus geboten werden, auch Hilfen der Persönlichkeitsbildung.

Unser Bericht stellt exemplarisch Erfahrungen vor in verschiedenen Ländern und Regionen, für Südkorea, Nigeria, Lateinamerika, für die weltweiten Standorte der Max-Weber-Stiftung und Italien insbesondere, sowie für Russland.[1]

Italien spielt in der Auslandskommission eine herausgehobene Rolle, da die Musikgeschichtliche Abteilung am Deutschen Historischen Institut in Rom mit Stellen vom Praktikum bis zum Post-Doc und einer außerordentlichen Fachbibliothek besonders gut ausgestattet ist mit musikwissenschaftlichen Förderoptionen.

In Italien kommen noch zwei weitere Adressen hinzu: Am Deutschen Studienzentrum in Venedig (www.dszv.it) werden Praktika und Stipendien für Doktorand:innen und Post-Docs vergeben, die zu venezianischen Themen arbeiten, unter denen immer noch etliche Schätze zu heben sind. Der interdisziplinäre Austausch hier, das Leben in einem Renaissancepalast direkt am Canal Grande, prägt nachhaltig. Ebenso hat die Villa Vigoni, Zentrum für europäische Exzellenz, und an einem herausgehobenen Ort über dem Comer See gelegen, bereits Praktika zu vergeben. (https://www.villavigoni.eu/?lang=de).

Dass Italien nach wie vor die höchste Dichte deutscher Forschungseinrichtungen aufweist, ist eine Konsequenz davon, dass sich die Wege des Kulturtransfers hier verdichteten und die Forschungslage in italienischen Archiven entsprechend opulent ist. Umgekehrt bildet die institutionelle Präsenz ausgewiesener Forschungseinrichtungen erst die Voraussetzung deutscher Musikwissenschaftskarrieren mit Italienprofil. Sie sichern die Existenz, bieten Plattformen, um logistische Hürden im fremden Kontext zu überwinden, und sind Adressen, um nachhaltig internationale Kontakte zu knüpfen. Das gilt natürlich auch für Forschungsinstitute andernorts und ihre Netzwerke.

Wer neugierig ist und mit einem Praktikum im Ausland beginnen will, sei auf die Förderungen des DAAD verwiesen (https://www.daad.de/de/im-ausland-studieren-forschen-lehren/praktika-im-ausland/). Zu bedenken sind dort zwei Dinge: Man sollte frühzeitig eine Zusage eines Praktikumsplatzes haben, weil die Bewerbungen einen längeren Vorlauf erfordern, und man sollte mindestens drei Monate im Ausland vor Ort sein.

Allen Autorinnen und Autoren sei herzlich für ihre Mitarbeit gedankt.

Köln, Sommer 2022

[1] Das Referat der Kollegin Signe Rotter-Broman/UdK Berlin, zu Skandinavien, konnte leider nicht publiziert werden.

Für Forschungsaufenthalte in Rom und Italien bietet das Deutsche Historische Institut in Rom passgenau zur jeweiligen Ausbildungs- und Karrieresituation zahlreiche Möglichkeiten der Förderung. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Stipendien- und Fördermodelle findet sich auf der Homepage des Deutschen Historischen Instituts in Rom:

www.dhi-roma.it

Deutsches Historisches Institut in Rom

Das 1888 gegründete Deutsche Historische Institut in Rom (DHI, Istituto Storico Germanico di Roma) ist das älteste der historischen Auslandsinstitute Deutschlands. Seit 2002 ist es Teil der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (MWS) mit Sitz in Bonn. Am DHI Rom gibt es mit Geschichtswissenschaft und Musikwissenschaft zwei Disziplinen und somit besondere Möglichkeiten interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Als einziges der historischen Auslandsinstitute der MWS hat das DHI Rom eine Musikgeschichtliche Abteilung. Diese besteht seit 1960 und widmet sich der Erforschung der Musikgeschichte Roms und Italiens in ihren europäischen und globalen Bezügen – von der Gregorianik bis heute. Die Bandbreite der an der Musikgeschichtlichen Abteilung bearbeiteten, interdisziplinär ausgerichteten Forschungsthemen ist in beständiger Erweiterung begriffen. Zu den aktuellen Forschungsfeldern gehören stadtrömische Themen sowie Untersuchungen zur Festkultur, zu Gattungen, Patronage, Institutionen und Personen, zur neuen Musik, zu Migrationsthematik und Kulturtransfer.

Dabei basiert die Forschungsarbeit des DHI auf den einzigartigen Möglichkeiten, die Italien und Rom als Wissenschaftsstandorte bieten. Denn insbesondere Rom übt seit Jahrhunderten eine große Anziehungskraft auf Romreisende und Fremde aus und fasziniert dabei gleichermaßen Komponisten, Musiker und die Wissenschaft. Rom steckte und steckt voller Musik, es ist so etwas wie ein klingendes Laboratorium.

Dieses lässt sich auch heute noch an den vielen römischen Musikorten entdecken und ganz besonders in den zahlreichen Bibliotheken und Archiven Roms, in denen sich wahre Schätze befinden. Neben den besonderen Forschungsorten in Rom und in Italien gibt es im DHI auch eine hervorragend ausgestattete musikwissenschaftliche Spezialbibliothek mit derzeit 65.000 Medieneinheiten und einem großen jährlichen Neuzugang (ca. 750 Medieneinheiten), außerdem verschiedene Spezialsammlungen.

Chancen

Im Blick auf die an Musikwissenschaftlerinnen und Musikwissenschaftler gerichteten Forschungsangebote wird empfohlen, sich stets aktuell über die am DHI bereitgestellten „Chancen“ zu informieren. Praktika am DHI für fortgeschrittene Studierende werden zweimal jährlich ausgeschrieben. Sie dauern sechs Wochen und bieten vielseitige Einblicke in die Arbeit eines musikwissenschaftlichen Forschungsinstituts. Für Forscherinnen und Forscher, die an einer Dissertation oder Habilitation mit Italienbezug arbeiten, bietet das DHI Forschungsstipendien an bzw. für den gezielten Besuch von Archiven oder Bibliotheken auch zusätzliche Reisestipendien. Außerdem sind am DHI für die Zeit der Ausarbeitung eines Antrags auf Drittmittelförderung ebenfalls Stipendienbewerbungen möglich, vorausgesetzt, es handelt sich bei dem zu entwickelnden Antrag um ein entsprechend innovatives Projekt mit Italienbezug. Alle wichtigen Informationen zu Antragsfristen und Förderdauer finden sich unter dem Punkt Stipendienordnung auf der Homepage des DHI Rom. Außerdem wird jährlich im September für fortgeschrittene Studierende der Studienkurs Rom durchgeführt, der ebenfalls interdisziplinär ausgerichtet ist. Des Weiteren verfügt die Musikgeschichtliche Abteilung über eine zeitlich befristete Qualifikationsstelle, auf der im Rahmen eines Habilitationsvorhabens für mindestens 3 Jahre zu einer italienbezogenen Thematik geforscht werden kann. Für Postdocs bietet das DHI überdies die Möglichkeit, im Rahmen der Ludwig und Margarethe Quidde Fellowship für ein eigenes wissenschaftliches Projekt einige Monate in Rom zu arbeiten. Weitere Informationen hierzu und zu weiteren Veranstaltungsformaten des DHI finden sich auf der Homepage oder im Newsletter des DHI (https://event.dhi-roma.it/newsletter/subscribe) sowie auf der Informationsplattform „MovItalia. Perspektiven für Musikforschung in Italien“.

Dr. Sabine Ehrmann-Herfort, Deutsches Historisches Institut in Rom, Musikgeschichtliche Abteilung; ehrmann-herfort@dhi-roma.it

Das Forschungsfeld über populäre Musik in Ostasien hat sich in der jüngeren Vergangenheit stetig vergrößert und ausdifferenziert. Es verdankt sich den zunehmenden durch Globalisierung, Migration und Digitalisierung erzeugten kulturellen Austauschprozessen und der damit einhergehenden internationalen Popularisierung musikalischer Genres und Phänomene, wie K-Pop, J-Pop, Cantopop etc. Die folgenden Links bieten einen ersten Einblick in die für dieses Forschungsfeld relevanten internationalen und interdisziplinären Fachverbände und Forschungsnetzwerke:

Fachverbände und Forschungsnetzwerke

Ostasien und International

Südkorea

Dr. Michael Fuhr, Center for World Music, Stiftung Universität Hildesheim, cwm_fuhr@uni-hildesheim.de

DAAD SDG Graduate School „Performing Sustainability. Cultures and Development in West Africa“

Die SDG-Graduate School „Performing Sustainability. Cultures and Development in West Africa“ ist ein interdisziplinäres Wissenschaftsnetzwerk für Doktorand:innen und Masterstudierende der University of Maiduguri (Nigeria), der University of Cape Coast (Ghana) und der Stiftung Universität Hildesheim (Deutschland). Ihren Schwerpunkt legt sie auf innovative Forschung, die Ansätze der Performance, der Künste und der Kultur vereint, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Diese basiert dabei auf den im Jahre 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung – den Sustainable Development Goals (SDG). Im Sinne einer globalen Partnerschaft sollen sog. Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer ihren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten.

Der persönliche Austausch ist ein fester Bestandteil des Programms. So reisen die Doktorand:innen der Universitäten aus Ghana und Nigeria für mehrere Monate nach Hildesheim oder deutsche Studierende nach Cape Coast und Maiduguri, um gemeinsam zu forschen. Außerdem finden halbjährlich zweiwöchige Workshops statt: Im Herbst in Nigeria und im Frühjahr in Ghana.

Interessierte Masterstudierende im Fach Musikwissenschaft/Musikethnologie können an den zweiwöchigen Workshops teilnehmen und sich um ein Reisestipendium bewerben.

Die Graduate School wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Programm „Bilaterale SDG-Graduiertenkollegs” mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

SDG Graduate School „Performing Sustainability. Cultures and Development in West Africa“: https://www.uni-hildesheim.de/sustainability/

Dr. Michael Fuhr, Center for World Music, Stiftung Universität Hildesheim, cwm_fuhr@uni-hildesheim.de

Forschungsaufenthalte in Russland können grundsätzlich logistisch unterstützt werden vom DHI Moskau, das etwa Hilfe bei Formalia mit russischen Institutionen leisten kann. Möglich sind außerdem Stipendien des DHI Moskau: Zwar gibt es hier keine musikgeschichtliche Abteilung wie in Rom und die derzeitigen Mitarbeiter:innen und Schwerpunktthemen befassen sich nicht mit Musik, doch decken die Stipendiat:nnen durchaus eine breite Palette von kulturhistorischen Themen ab, zu denen die Musik grundsätzlich auch zählt. Wenn Sie sich hier für einen dreimonatigen Aufenthalt entweder zur Vorbereitung einer Masterarbeit oder als Doktorand:in oder Post-Doc bewerben möchten, sollte Ihr Exposé nicht nur allgemein durch seine Qualität überzeugen, sondern möglichst auch einen allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Aspekt oder Bezug aufweisen, so dass die Kommission versteht, warum Sie Unterstützung gerade vom DHI erhoffen. Zudem sollten Sie Ihre fachspezifischen Kontaktpersonen nennen, damit klar wird, dass Sie auch musikwissenschaftlich vernetzt sind und ihr Aufenthalt entsprechend auch von Fachkolleg:innen vor Ort flankiert wird. Musikwissenschaft als Fach ist in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion grundsätzlich nicht an den Universitäten, sondern an den Konservatorien, Musikhochschulen bzw. Musikakademien beheimatet. Die direkten fachlichen Ansprechpartner:nnen für Forschungsaufenthalte sitzen also in aller Regel dort. Daneben gibt es noch je ein kulturwissenschaftliches Forschungsinstitut in Moskau und St. Petersburg, an denen Abteilungen für Musikwissenschaft bzw. Musiktheorie existieren. Im Falle einer Bewilligung geht das DHI Moskau davon aus, dass Sie die Zeit im Wesentlichen vor Ort verbringen, also in Moskau selbst und ggf. teilweise in St. Petersburg. Stipendiat:innen müssen einmal in einem Vortrag über ihr Projekt berichten. Die zweimal pro Jahr vergebenen Jahresstipendien richten sich üblicherweise nur an Historiker:innen. Alle nötigen Informationen finden Sie auf der Homepage des DHI.

www.dhi-moskau.org

Falls sich Ihr Forschungsthema auf eine andere Region Russlands oder eine andere ehemalige Sowjetrepublik richtet, kommen die Stipendien des DHI Moskau nicht mehr in Frage. Dann empfiehlt es sich, wie üblich, beim DAAD ein Stipendium für einen Aufenthalt an anderen Orten zu beantragen. Sie werden dafür im Allgemeinen entsprechende Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Der DAAD bietet immer auch wechselnde spezielle Förderprogramme für die Länder dieser Region an.

Die deutsch-ukrainische Historikerkommission vergibt einmonatige Stipendien für Forschungsprojekte zur ukrainischen oder deutsch-ukrainischen Geschichte, und auch hier haben musikwissenschaftliche Themen eine Chance, sofern sie einen deutlichen Bezug zu allgemein historischen oder zeithistorischen Kontexten aufweisen.

http://www.duhk.org/

Prof. Dr. Christoph Flamm, Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften, Musikwissenschaftliches Seminar, Universität Heidelberg, christoph.flamm@zegk.uni-heidelberg.de

Musikwissenschaftliches Forschen in Lateinamerika ist vielseitig und bereichernd. Dieses Dokument gibt einige Hinweise zu Sprachkenntnissen, Möglichkeiten der Vorbereitung in Deutschland, Anlaufstellen in ausgewählten Ländern, dem Kontakte-Knüpfen mit Musikwissenschaftler:innen vor Ort sowie der Finanzierung von Forschungs­aufenthalten. Ein Fokus liegt auf Argentinien, das ich aus eigener Forschungstätigkeit am besten kenne.

Sprachkenntnisse

Auch wenn heute zahlreiche Publikationen zu lateinamerikanischer Musik auf Deutsch und insbesondere auf Englisch vorliegen, ist das Erlernen der spanischen oder portugiesischen Sprache im Blick auf eigene Forschung vor Ort dringend geraten. Man wird mit Spanisch und Portugiesisch viel weiterkommen, als wenn man sich mit Französisch, Italienisch oder Englisch zur Kommunikation durchschlägt.

Möglichkeiten der Vorbereitung in Deutschland

Das Erwerben der Sprachkenntnisse gehört ebenso zur Vorbereitung wie eine ausgiebige Literaturrecherche bereits in Deutschland. Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) in Berlin bietet mit der dortigen Bibliothek einen Ausgangspunkt: Monographien, große Tageszeitungen, Kulturzeitschriften, Nachlässe und sogar Noten sind hier zu finden und können in kurzer Zeit und bei hervorragendem Service eingesehen werden. Neben dem IAI gibt es zum Beispiel in Frankfurt am Main, Hamburg, Heidelberg oder München Bibliotheken, die über Schwerpunktsammlungen zu Lateinamerika und Musik verfügen und unbedingt zu Rate gezogen werden sollten. Über das Verbundsystem bekommt man in Deutschland Fernleihen aus allen diesen Bibliotheken auch in die Heimatbibliothek zugesandt. In Lateinamerika ist das Bibliothekssystem weit weniger vernetzt, daher ist viel Zeit notwendig, um nur Bücher einsehen zu können, die in Deutschland per Klick bestellbar sind. Es ist also empfehlenswert, Literatur vor einem Lateinamerikaaufenthalt noch in Deutschland zu recherchieren. Vor Ort kann dann ergänzt werden, was in Deutschland nicht verfügbar ist – und dies ist natürlich noch eine große Menge.

Anlaufstellen in verschiedenen Ländern

Zu den Anlaufstellen im Ausland zählen Nationalbibliotheken: In vielen Länder verfügen diese über eigene Musiksammlungen. In Buenos Aires ist der Zugang zur Nationalbibliothek wenig limitiert, meist reichte in der Vergangenheit die Vorlage eines Ausweisdokuments, um Zugang zu erhalten. Um zügig forschen zu können und größere Mengen in den Lesesaal zu ordern, ist jedoch der Erwerb eines Leseausweises für Forschende notwendig. Der bürokratische Aufwand kann enorm sein und sich über Wochen hinziehen. Man sollte daher möglichst im Vorfeld Kontakt suchen, sich der Bibliotheksleitung mit dem Forschungsanliegen vorstellen und Empfehlungsschreiben auf Englisch oder in der Landessprache vorlegen.

In Buenos Aires und anderen Hauptstädten finden sich nicht alle relevanten Bestände in der Nationalbibliothek. Viele kleinere Bibliotheken oder Privatarchive beherbergen für die Forschung relevante Dokumente. Neben der Zeit, die für derartige Fahrten zu Archiven eingeplant werden sollte, benötigt man vor allem fachliche Kontakte, die Forschende darüber informieren, in welcher Bibliothek oder welchem Archiv welche Dokumente liegen, ob die Kataloge online zugänglich oder Findbücher nur vor Ort einsehbar sind. Wenn man nicht vom Glück abhängig sein möchte, die richtigen Personen vor Ort zu treffen, die sich auskennen und bereit sind, ihr Wissen mit ausländischen Forscher:innen zu teilen, sollte man diese Kontakte vor der Ausreise aufbauen.

Expert:innen finden sich heutzutage zum Beispiel wie im deutschsprachigen Raum an den Universitäten mit musikwissenschaftlicher Forschung. In den letzten 40 Jahren hat die Zahl der Musikwissenschaftler:innen an Universitäten stark zugenommen, wenngleich sie meist an Instituten arbeiten, die den Künsten insgesamt und nicht ausschließlich der Musik gewidmet sind. In Argentinien sind die Universidad de Buenos Aires (UBA) und die Universidad Católica Argentina (UCA) in der Hauptstadt wichtige Standorte, aber auch Provinzhauptstädte wie Córdoba oder Rosario haben musikwissenschaftliche oder kulturwissenschaftliche Institute an ihren Universitäten, deren Zahl kontinuierlich steigt. In Brasilien herrscht ein noch viel größeres Angebot in den Metropolen Rio de Janeiro und São Paulo mit mehreren Universitäten bis zu kleineren aber bedeutenden Standorten wie Belo Horizonte. In Chile ist die Musikforschung eher auf die Hauptstadt Santiago konzentriert. In Mexiko und Kolumbien sind die staatlichen Universitäten die wichtigsten Anlaufstellen.[1]

Kontakte knüpfen lassen sich auch über spezialisierte Forschungseinrichtungen wie das Staatliche Institut für Musikforschung Carlos Vega (Instituto Nacional de Musicologia – INM) im Herzen von Buenos Aires. Es hat bereits eine lange Tradition seit den 1930er Jahren und ist am ehesten mit dem Staatlichen Institut für Musikforschung (SIM) in Berlin vergleichbar. Im INM Carlos Vega sind Forschungsprojekte angesiedelt. Die Bibliothek sowie Archive für Tonträger und Instrumente enthalten wichtige und gut erschlossene Quellen. Das Institut hat einen großen Output an Publikationen, organisiert Seminare und Vorträge.

Ähnliche Einrichtungen gibt es auch in anderen lateinamerikanischen Ländern. In der Casa de las Américas in Kuba besteht seit 1965 eine Abteilung für Musik, die mit einem Preis für Musikwissenschaft, einer eigenen Zeitschrift und dem Fokus auf Musikwissenschaft einen Knotenpunkt der Forschung bildet.

Oftmals wird man jedoch wieder auf einzelne Archive an verschiedenen Orten angewiesen sein, die bestimmte Nachlässe von Komponist:innen, Musikolog:innen oder anderen Musiker:innen verwalten. Ein solches Archiv ist zum Beispiel das Acervo Curt Lange in Belo Horizonte, in dem der Nachlass des deutschsprachigen Musikforschers Francisco Curt Lange aufbewahrt wird. Dieses Archiv gehört zur Universität des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais.

Kontakte knüpfen

Musikforscher:innen arbeiten in Lateinamerika nicht nur in Bibliotheken, an Hochschulen oder zentralen Forschungseinrichtungen. Expert:innen zu einem Thema leben nicht unbedingt im Zielland, sondern durchaus in Europa, Amerika oder in anderen Regionen der Welt. Insbesondere in Europa lebende lateinamerikanische Forscher:innen können schon vor der Reise ins Zielland wichtige Hinweise geben und sollten unbedingt befragt werden. Sie sind häufig gut vernetzt, zum Beispiel über den lateinamerikanischen Zweig der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft (IMS). Sobald man Mitglied in der IMS ist, kann man der Regionalgruppe für Lateinamerika und die Karibik, genannt ARLAC, beitreten und erhält Zugang zur Mailingliste dieser Gruppe, über die Hinweise auf Neuerscheinungen, Konferenzen und wichtige Entwicklungen geteilt werden. ARLAC veranstaltet zudem eigene Kongresse. Um die Mailingliste zu nutzen, muss man zwar Mitglied in der IMS sein, doch auch ohne diese Mitgliedschaft kann man über den eigenen Internetauftritt von ARLAC Personen recherchieren und kontaktieren.

Je nachdem in welchem Bereich man forscht, können Kontakte über andere Mailinglisten wie die der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung populärer Musik (IASPM) aufgenommen werden. Im International Council for Traditional Music (ICTM) gibt es ebenfalls lateinamerikanische Mitglieder sowie eine Study group zu Musik und Tanz in der Karibik und in Lateinamerika. Die Kontaktaufnahme kann zudem über Social Media erfolgen: Insbesondere Facebook ist weiterhin ein Tool der Kommunikation lateinamerikanischer Kolleg:innen. Für Musiker:innen könnte auch das Netzwerk Ibermúsicas von Interesse sein, dass den künstlerischen Austausch auf dem Kontinent besonders fördert. Die Wege sind darüber hinaus so vielfältig wie das World Wide Web. Auch die Fachgruppe Deutsch-Ibero-Amerikanische Musikbeziehungen in der Gesellschaft für Musikforschung oder das internationale Forschungsnetzwerk Trayectorias stellen gern Kontakte her und freuen sich über Anfragen.

Finanzierung

Für Studien- oder Forschungsaufenthalte in Lateinamerika gibt es kaum standardisierte Programme. Ein durchaus erfolgreicher Finanzierungsweg führt aber über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der je nach Karrierestufe unterschiedliche Programme bietet. Es gibt schon im Studium diverse Möglichkeiten, die individuell zu beantragen sind. Doktoranden werden in der Individualförderung bei Forschungsaufenthalte unterstützt. Auch Kongress- und Vortragsreisen können über den DAAD finanziert werden. Der DAAD ist an vielen Orten Lateinamerikas mit Lektoraten vertreten und fördert zudem den Austausch in die Gegenrichtung, also hin nach Deutschland.

Genannt sei als weiteres Programm zudem Erasmus+, das Studierenden das Auslandsstudium und Lehrenden Gastdozenturen in Lateinamerika ermöglicht.

Dr. Christina Richter-Ibáñez, Universität Tübingen, christina.richter-ibanez@uni-tuebingen.de

[1] Einen Überblick über die Geschichte und den aktuellen Stand der Musikforschung in Lateinamerika bieten Yael Bitrán Goren und Cynthia Rodríguez Leija (Hrsg.): Perspectivas y desafíos de la investigación musical en Iberoamérica, Mexiko Stadt 2016. Eine deutschsprachige Zusammenfassung findet sich in Daniela Fugellie und Christina Richter-Ibáñez: „Auf der Suche nach ‚eigenen‘ Quellen musikalischer Praxis. Musikwissenschaft in Lateinamerika im Spannungsfeld von Nationalismus, europäischen und US-amerikanischen Forschungstraditionen im 20. Jahrhundert“, in: Melanie Wald-Fuhrmann, Stefan Keym (Hrsg.): Wege zur Musikwissenschaft. Gründungsphasen im internationalen Vergleich / Paths to Musicology. Founding Phases in International Comparison, Kassel/Stuttgart 2018, S. 141–153.

Die 2002 gegründete Max Weber Stiftung (MWS) fördert deutsche geistes- und sozialwissenschaftliche Institute im Ausland. Ziel der Stiftung ist es, die Forschung zu fördern und somit den Austausch und das gegenseitige Verständnis zwischen den (Wissenschafts-)Kulturen weiter voranzubringen. Zu der Stiftung gehören 11 Auslandsinstitute weltweit, neben den Deutschen Historischen Instituten London, Moskau, Paris, Rom, Warschau und Washington, das Deutsche Forum für Kunstgeschichte Paris, das Deutsche Institut für Japanstudien in Tokio, die Orient-Institute Beirut und Istanbul und seit 2021 das Max Weber Forum für Südasienstudien in Delhi.

Auch Forschungsprojekte im Bereich der Musikgeschichte werden von der Max Weber Stiftung gefördert. Die musikgeschichtliche Abteilung des DHI Rom untersucht beispielsweise die musikalischen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien im Laufe der Musikgeschichte, und auch das OI Istanbul setzt musikgeschichtliche Schwerpunkte mit dem Forschungsprojekt „Musik im Osmanischen Reich und der Türkei“. Besonders nennenswert ist außerdem das CMO-Projekt (Corpus Musicae Ottomanicae). Im Rahmen des Projektes transkribieren Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler osmanische Kunstmusik in die westliche Notation. Darüber hinaus finden an allen Instituten der Stiftung immer wieder Veranstaltungen zu musikgeschichtlichen Themen statt.

Für Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bietet die Max Weber Stiftung zahlreiche Möglichkeiten. Dazu zählen: Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Rom und Istanbul), Stipendien zur Förderung von Auslandsaufenthalten für Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs, das Feldman-Reisebeihilfen-Programm, welches transnational vergleichende Archivstudien finanziell unterstützt, Praktika für Studierende, sowie verschiedene Sommer- und Fachkurse.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Stiftung (maxweberstiftung.de), den Webseiten der einzelnen Institute, auf dem Blog Geisteswissenschaft als Beruf (gab.hypotheses.org) oder auf Twitter, Facebook und Instagram.

Dr. Tina Rudersdorf, Max Weber Stiftung, Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland, Bonn, rudersdorf@maxweberstiftung.de

Mitglieder

Prof. Dr. Christoph Flamm (Sprecher der Kommission)
Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften
Musikwissenschaftliches Seminar
Augustinergasse 7
69117 Heidelberg
christoph.flamm@zegk.uni-heidelberg.de

Dr. Esma Cerkovnik
Musikwissenschaftliches Institut
Universität Zürich 
Florhofgasse 11
8001 Zürich
Schweiz
esma.cerkovnik@uzh.ch

Prof. Dr. Louis Delpech
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Harvestehuder Weg 12
D-20148 Hamburg
louis.delpech@hfmt-hamburg.de

 

Dr. Barbara Eichner
School of Arts
Oxford Brookes University
Oxford OX3 0BP
United Kingdom
barbara.eichner@brookes.ac.uk

Prof. Dr. Daniela Fugellie
Instituto de Música
Universidad Alberto Hurtado
Almirante Barroso 31
Santiago
Chile
dfugellie@uahurtado.cl

Prof. Dr. Nicole K. Strohmann
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
nicole-k.strohmann@kug.ac.at

Zudem sind Mitglied der Kommission
– der Präsident / die Präsidentin der Gesellschaft für Musikforschung
– der Leiter / die Leiterin von musikhistorischen Abteilungen an Deutschen historischen Instituten im Ausland

MovItalia. Perspektiven für Musikforschung in Italien

„MovItalia. Perspektiven für Musikforschung in Italien“ ist ein Kooperationsprojekt des DHI Rom mit der Gesellschaft für Musikforschung. Es handelt sich dabei um einen E-Mail-Verteiler zur Förderung der Kommunikation und Information über die einzigartige Musikforschungslandschaft in Bezug auf Italien. Die Informationsplattform zielt einerseits auf die Bündelung von Informationen ab, zeigt Forschungs- und Karriereperspektiven auf und dient außerdem dem fachlichen Austausch und der persönlichen Vernetzung unter zugleich Musik- und Italien-Affinen aller Karrierestufen in Studium, Forschung und Lehre auf internationalem Niveau.

Das Projekt wurde im Frühjahr 2021 von Prof. Dr. Sabine Meine und Dr. Carolin Krahn initiiert. Es wird derzeit begleitet von Prof. Dr. Christoph Flamm und Dr. Sabine Ehrmann-Herfort. Als studentische Hilfskraft am DHI Rom ist Elena Maria Artisi, B.A. tätig.

Kontakt: movitalia@dhi-roma.it

Mailingliste: https://www.listserv.dfn.de/sympa/info/gfm.ausland