Hören mit allen Sinnen. Interdisziplinäre Zugänge zu einem multisensorischen Phänomen (ca. 500–1500)

Frankfurt am Main, 23.-24.03.2023

Deadline: 01.11.2022

Organisation: Joanna Olchawa, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Julia Samp, RWTH Aachen University

im Rahmen des DFG-Netzwerks „Lautsphären des Mittelalters“ 

Innerhalb der mittelalterlichen Sinneshierarchie nimmt das Hören einen prominenten Platz ein. „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1.1) und „der Glaube kommt vom Hören“ (Röm 10.17) entfalten als neutestamentliche Perikopen in der Spätantike und im Mittelalter eine immense Wirkung. Darauf basierend entwickeln sich beispielsweise Vorstellungen von der conceptio per aurem, nach der Maria durch das Hören empfing – diese finden gerade in der visuellen Umsetzung einen erstaunlichen Anklang. Die mittelalterlichen Sinneswelten nicht mehr vom Primat des Sehens, als vielmehr vom Hören ausgehend zu ergründen, eröffnet neue und überraschende Sichtweisen zu Bewertung und Verständnis von Handlungen und Ritualen, medialen Fixierungen und Narrativen. Aber ein Sinn steht selten für sich allein. So wird die Rezeption von Schrift und Text mitunter als multisensorische Aneignung verstanden – Zeichen für das Auge, Töne für die Ohren, Worte für die gustatorische und Materialien für die olfaktorische wie auch haptische Wahrnehmung; und im Nachsinnen sind sogar die inneren Sinne beteiligt. Das Zusammenspiel der Sinne erleichtert zudem das Memorieren: So dient das Zupfen oder Schlagen der Ohren als Erinnerungsstütze – wer hören will, muss fühlen. Während des Gottesdienstes wiederum sollte Weihrauch als geruchsintensives Hilfsmittel das auditiv wahrnehmbare „Wort Gottes“ im Raum manifestieren und die Anwesenden darin einhüllen. Vor allem im christlich-lateinischen Mittelalter wird also Wahrnehmung grundsätzlich im fluiden, situationsabhängigen Wechselverhältnis der Sinne zueinander gedacht.

Ziel der Tagung ist es, die besondere Bedeutung des Hörens innerhalb multisensorischer Gefüge und damit verbundener Wahrnehmungsmuster und Be-Deutungszusammenhänge mit ihren spezifischen Kommunikationszusammenhängen nachzuvollziehen. Damit sind nicht nur genuin historische und geisteswissenschaftliche Fragestellungen angesprochen, sondern interdisziplinäre Zugänge (beispielsweise im Themenbereich der Psychoakustik oder den Neurowissenschaften) gefordert: Wie verändert sich etwa das Gehörte, je nachdem, was gesehen oder mit anderen Sinnen wahrgenommen wird? Ebenso notwendig ist der Einbezug transkultureller wie transreligiöser Perspektiven auf das Phänomen. Des Weiteren gilt es, die Terminologie der sinnlichen Grenzüberschreitung (etwa synästhetisch, multi- oder intersensorisch, multi- oder cross-modal) in Hinblick auf die zeitgenössischen Deutungskategorien zu hinterfragen. Auch wären im Kontext des sinnlichen Zusammenspiels die Möglichkeiten der heutigen musealen Vermittlung mittelalterlicher Themen und Objekte etwa an blinde Besucher*innen oder generell in Ears-On-Exhibitions zu erörtern. Die Beiträge können exemplarische Zugänge eröffnen, sich dem Phänomen auf theoretischer Ebene nähern oder methodologische Ansätze skizzieren.

Die internationale Tagung wird im Rahmen des interdisziplinären DFG-Netzwerkes „Lautsphären des Mittelalters“ veranstaltet. Mit dem Ziel vor allem auch die Vernetzung von Promovierenden und Postdocs zu unterstützen, die zu diesen Themengebieten arbeiten, sind Vorschläge von Wissenschaftler*innen dieser Qualifikationsstufen besonders willkommen. Kosten für Reise und Unterkunft werden übernommen. Bitte richten Sie Ihr Exposé von max. einer Seite für einen Vortrag von 25–30min in deutscher oder englischer Sprache sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 1. November 2022 an Joanna Olchawa (olchawa@kunst.uni-frankfurt.de) und Julia Samp (samp@histinst.rwth-aachen.de). Für Fragen zur Tagung wie auch zur Einreichung stehen wir gern zur Verfügung.

Weitere Informationen: https://www.tu-chemnitz.de/phil/iesg/professuren/gdma/dfg-netzwerk.php#allgemein