„Dresden, Italien und die Anfänge der Wiener Klassik. Joseph Schuster in der Musik seiner Zeit"
Dresden, 21.-23.06.2012
Von Sonja Jüschke, Koblenz – 22.08.2012 | Joseph Schuster (1748 – 1812) war ein heute beinahe unbekannter Dresdner Hofkapellmeister, der zu seiner Zeit eine wichtige Rolle im Musikleben spielte. Schwerpunkte seines Schaffens bildeten die Kirchenmusik und die Oper bzw. das deutsche Singspiel, er komponierte jedoch auch Instrumentalwerke, hauptsächlich Kammermusik. Seine Aufgaben am Dresdner Hof umfassten unter anderem die Leitung der Kirchenmusik und der Opernaufführungen, wobei er sich mit seinen Kollegen Naumann und Seydelmann abwechselte.
Das in zahlreiche Wiederaufführungen eingebettete internationale Symposium, das von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, veranstaltet sowie von Gerhard Poppe (Dresden/Koblenz) und Steffen Voss (München) organisiert wurde, begann nach einer musikalischen Eröffnung mit einer Einführung von Gerhard Poppe. Er zeigte Gründe für das Vergessen und Wiederentdecken Schusters auf und nannte neben biographischen Aspekten zeitgenössische Stimmen über den Komponisten.
Petra Weber (Koblenz) eröffnete den ersten Teil, der die Instrumentalmusik in den Mittelpunkt stellte, mit einem Überblick über Schusters Sonaten und Divertimenti, in denen sie besonders auf die hauptsächlich aneinanderreihenden Wiederholungsstrukturen aufmerksam machte. Schusters lange irrtümlich dem jungen Mozart zugeschriebenen Streichquartette stellte Christian Speck (Koblenz) vor, wobei er unter anderem auf die sehr freie Behandlung der Motive in der Bearbeitung hinwies. Im Abendvortrag stellte Manfred Hermann Schmid (Tübingen) unter dem Titel „Gemeinsame musikalische Sprache oder entgegengesetzte Welten? Kirchenmusik und Oper im ausgehenden 18. Jahrhundert" Überlegungen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Gattungen zu Schusters Zeit an und thematisierte dabei unter anderem Kontrafakturen.
Steffen Voss leitete den zweiten Tag des Symposiums ein, indem er Schuster als Opernkomponisten vorstellte. Hierbei betonte er, dass in Dresden fast ausschließlich opere buffe aufgeführt wurden, während Schuster in Italien auch erfolgreiche opere serie komponierte. Einen Teilaspekt im Opernschaffen des Komponisten beleuchteten Francesco Cotticelli und Paologiovanni Maione (Neapel). Cotticelli schilderte die Situation in Neapel und wies auf neu entdeckte Zahlungsbelege hin, die Aufschluss über Schusters Wirken am Teatro San Carlo geben, während Maione Schusters Abweichungen vom Libretto Metastasios im Fall von „Didone abbandonata" (Neapel 1776) besonders hinsichtlich der Finalgestaltung erläuterte. Danach stellte Martina Grempler (Wien) einen Vergleich der verschiedenen Opern mit dem Titel „L'amore artigiano" von Gaetano Latilla, Florian Leopold Gaßmann und Schuster an, wobei sie die Vermutung äußerte, Schuster habe sich eventuell an Gaßmann orientiert und dessen Oper als Grundlage genommen. Die Zusammenarbeit Schusters mit dem Librettisten Caterino Mazzolà in Padua wurde von Raffaele Mellace (Genua) am Beispiel von „Bradamante" dargestellt; sie war vermutlich ausschlaggebend für dessen Berufung nach Dresden. Ebenfalls mit Mazzolà beschäftigte sich Norbert Dubowy (Bayreuth), der sich vor allem der Zauberoper „Rübenzahl" widmete, mit der sowohl Librettist als auch Komponist musikalisches Neuland betraten. Ein weiterer Vergleich erfolgte von Steffen Voss, der die Vertonungen des Metastasio-Librettos „L'isola disabitata" von Schuster, Naumann und Anton von Sachsen untersuchte. Hierbei bezog er auch Überlegungen zur Gattung mit ein, da Schusters Vertonung durch den deutschen Text in der Nachdichtung von August Gottlieb Meißner dem Singspiel sehr nahe steht. Die Historikerin Silke Marburg (Dresden) charakterisierte schließlich die Rolle des Hofmusikers, wies aber auf die Sonderstellung des Dresdner Hofes mit seiner extremen Haltung hin: Die Aufführung oder Komposition von Musik war Adligen ausschließlich bei Hofe oder unter Pseudonym gestattet. Wer sich an dieses ungeschriebene Gesetz nicht hielt, riskierte einen Skandal.
Karin Bemmann (Dresden) gab einen Überblick zu Schusters Kirchenmusik, wobei sie die Quellenüberlieferung und die Musikpraxis an der Hofkirche mit einbezog. Mit den Kompositionen für die Kirche beschäftigten sich Gerhard Poppe (Dresden/Koblenz) und Klaus Winkler (Dierdorf) ausführlicher, wobei Poppe den Vergleich zu Schusters Zeitgenossen Naumann zog, während Winkler die verschiedenen Fassungen der Messe Nr. 10 e-Moll vorstellte.
Einem der erfolgreichsten Singspiele aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts widmete sich Adrian Kuhl (Heidelberg): In „Der Alchymist" legte der Komponist großen Wert auf die individuelle Ausgestaltung der Figuren. Über das Liedschaffen Schusters, das von einer Zusammenarbeit mit dem Dichter August Gottlieb Meißner profitierte, berichtete Kornél Magvas (Dresden). Abschließend stellte Hartmut Grimm (Berlin) Schusters Kantate „Lob der Musik" vor, in der musikalische Textausdeutung mit der Ästhetik des Erhabenen verbunden wurde.
Bei dem Symposium wurden erstmals wichtige Erkenntnisse zu einem wenig bekannten und lange unterschätzten Dresdner Komponisten zusammengetragen, die nun einen Ausgangspunkt für weitere Forschungen bilden können.