Music and Humour in Film & TV

Kiel, 30.03.-01.04.2017

Von Hans J. Wulff, Kiel – 19.12.2017 | In Howard Hawks‘ Komödie Hatari (USA 1962) spielen drei kleine Elefanten eine gewichtige Rolle, die von einer jungen Frau zur Wasserstelle geführt werden, um dort zu baden. Für sie hat Henry Mancini eine eigene Musik geschrieben, die auf den trippelnden Gang der Tierkinder genau zu passen scheint – eine Stück, die zwischen Übermut, Bewegungslust und Spiel zu schweben scheint. Die Musik nimmt ein, erfasst den Hörer, auch wenn die Bilder fehlen. Nicht erst das mickey-mousing der Bild-Ton-Koordination verleiht ihr jene emotionale Qualität. Ist es eine „lustige Musik“, der das Humorvolle innewohnt? Und wenn ja: Warum ist das so? Unwillkürlich denkt man an den Elephantenmarsch aus The Djungle Book (USA 1967, Wolfgang Reiterman), der in Tempo und Klangfarben so anders ist, den Militärmarsch parodiert und dennoch von ähnlicher Prägnanz ist wie Mancinis Kinderelephanten-Stück. Auch hier die Frage: Ist auch dieses „lustige Musik“? Und im Kontrast der beiden Stücke stellt sich die Frage nach den Qualitäten der Musik umso schärfer.

Stephan Wolff mit seinen Überlegungen zu Takt und Tempo der Musik zu komischen Filmen war der Einzige, der die Frage nach einer unmittelbaren Solidarität von musikalischer Qualität und emotionaler Tönung der Musiken stellte. Es sind schnelle Musiken, so sein Befund, die den subjektiven Eindruck von Humorösität befördern (auch wenn Melodie und Bass verschiedene Tempo-Eindrücke zu bedienen scheinen). In der TV-Komödie wird ein schnelleres Tempo gegenüber dem Film bevorzugt; es gibt eine Differenz zwischen Außen- und Innenszenen. Wolff hat keine Walzer in seinem Zufallskorpus finden können, dagegen Menuette – wobei sich gerade hier die Frage stellt, ob der groteske Kontext des Menuetts in Dance of the Vampires (USA 1967, Roman Polanski) und der rabiate Kontrast zu den formalen Festkonventionen des 18. Jahrhunderts den Effekt der Lustigkeit hervorruft oder die Musik selbst. Wolff hat sein Korpus gewonnen, indem er Beispiele aus Film und Fernsehen isolierte und jeweils hinsichtlich Tempo und Klangfarbe genau beschrieb. Auf assoziative Tests, die den Grad an „humoröser Aufladung“ zu erheben suchen, verzichtete er ebenso wie auf den Einfluss von Genrekonventionen, die entweder ganze Scores dominieren können oder die genutzt und dann zu Zwecken einer „semiotischen Überraschung“ eine generische Anspielung unerwartbar auflösen. Ein Beispiel entstammt Loriots Film Pappa ante Portas (BRD 1991), wenn eine subjektive Kamerafahrt in die Wohnung des Protagonisten hineinführt – unterlegt mit einer drohenden Horrormusik –, um dann bei der überraschten Hausfrau zu enden, die den bis dahin unsichtbaren Träger der Subjektiven mit: „Du hier!??“ anspricht (es ist ihr Ehemann, der sich ihr angenähert hatte).

Die Fähigkeit, zum Eindruck des Lustigen beizutragen, ist nur zum Teil getragen von Qualitäten der Musik selbst, sondern beruht auch auf der Koordination mit den Bildfolgen, mit szenischen Qualitäten und mit generischen Konventionen. Und die Frage, ob das „Lustige“ dem Musikalischen oder dem Performieren der Musik zukommt, stellt sich in allen Bereichen möglicher Beschreibung immer von neuem. Jill Thielsens Überlegungen zu den Filmen Helge Schneiders (insbesondere Jazzclub – Der frühe Vogel fängt den Wurm, BRD 2004) endeten sogar in der These, dass der „Traurigkeit“ der Geschichte, die der Film erzählt, die „Freudigkeit“ der Musik bzw. des Spiels der Musikanten selbst fundamental kontrastiere. Die musikalische Clownerie als Bühnenform lebt auch in medialisierter Form weiter, wie Juliana Guerrero an ihrer Untersuchung der Auftritte der argentinischen Gruppe Les Luthiers zeigte: Von der grotesken Synchronisation der Musiker auf der Bühne, der Erfindung und Nutzung künstlicher Instrumente (etwa der Umformung von Bidets in Teile von Klangkörpern) bis hin zum schiefen Spiel von Traditionals oder Hits reicht ein ganzes Spektrum, das aus dem Wissen von Zuschauern Kapitel für das Lachen schlägt.

Inkongruenz ist eine der wohl fundamentalen Voraussetzungen für das Lächerliche, die Nichtübereinstimmung von Erwartung und Erfüllung, von Wahrscheinlichkeit und Unmöglichem. Selbst die Körperkomik (in der Extremform des Slapstick) spielt mit dem Wissen des Zuschauers. Manche Formen nehmen diese generischen Spuren selbst dort auf, wo man nicht damit rechnet. Eine Loriot-Szene nimmt die Inszenierungsformen des Slapstick auf, von der Munitionierung der Szene über die destruktiven Implikationen des Sich-Bewegens bis hin zur Unschuld der Figur an dem, was sie angerichtet hat: „Das Bild hängt schief!“, kommentiert der Täter, obwohl das Zimmer verwüstet ist. Dabei sind gerade die Loriot-Szenen voller Anspielungen auf Bestände des musikalischen Erbes, die ein wissendes Publikum voraussetzen (wie der Beitrag Carolin Sibiaks an mehreren Beispielen zeigte). Hier sind es Musikstücke, die den Lifestyles bildungsbürgerlicher Schichten zugehören; die Schiefes-Bild-Szene ist unterlegt mit Ravels Bolero, allerdings in der geglätteten Fassung des Mantovani-Orchesters (ein Detail, aus dem man eigene Differenz zum gezeigten sozialen Milieu ersehen kann [aber nicht muss!]). Schnell wird deutlich, warum manche Formen des Komischen kaum außerhalb ihrer Heimatkulturen verstehbar sind: weil kollektives Wissen an Wissensgemeinschaften gebunden ist und Anspielungen sich nur erschließen, wenn der Horizont der Bedeutungen auch erfasst werden kann.

Das Lachen ist zumindest in seinen filmischen Formen eine wissensbasierte Antwort von Zuschauern auf das Gezeigte – der lachende Zuschauer ist ein denkender Zuschauer. Oft sind es semiotische Spiele, die das Material erst in eine komische Form umbilden. Miguel Mera zeigte an einem Beispiel aus der Werbekommunikation (hier: eine TV-Show) sowie an Trailern, wie im Gang des Textes ein assoziatives Verbindungswerk zwischen Musik und gezeigten Objekten aufgebaut und um zusätzliche Nebenbedeutungen angereichert wird, die schließlich die Grundlage für einen finalen Lacher bilden. Mera spricht hier vom „jabbing“ (zu deutsch etwa „Stechen“) als einer Strategie, die alle Ebenen und Elemente der Repräsentation dazu ausnutzt, sie in eine Art „verwilderte Assoziationskette“ von Ähnlichem, von Kontiguitäten, Kausalverbindungen usw. einzugliedern; derartigen Ketten kommt eine Kraft des Antreibens zu, wobei das Ziel, auf das die Kette hinausläuft, unklar bleibt. Aber es entsteht ein Feld von Erwartungen (einschließlich der Überraschungserwartung), auf das hin die Kette finalisiert werden kann. Die Musik ist in derartigen Sequenzen rhythmusgebendes Element (die Bilderfolge und die Rhythmik der Figurenbewegungen werden eng mit dem Fortschreiten der Musik koordiniert), aber auch Indikator von Unterbrechungen (breaks of flow).

Das Thema der Tagung lädt dazu ein, Musiken aus dem Genre der Komödie insbesondere zu studieren, sie ihrerseits in die Traditionen des Musiktheaters einzubeziehen. Steffen Just kam auf frühe Formen des Musikfilms mit via Platte koordinierten Tönen (Biophon, Auxtephone, Gaumontphone und andere Nadelton-Verfahren) zu sprechen; sie zeigten vor allem Stars der Musikbühnen, um ihren Ruhm auch in den Verwertungsketten des Kinos zu monetarisieren. Dabei kamen – trotz der meist starren Kamera, die die performances einfing – auch performative Qualitäten der Auftritte zur Geltung. Die Überlegungen Judith Wiemers zu den diversen Traditionen des Musiktheaters, die in den deutschen und amerikanischen Musikfilmen der frühen 1930er Jahre eine Rolle spielen (Oper, Operette, Singspiel, aber auch Musical und Minstrelsy). Auch in diesen Beispielen ist erkennbar, dass die Filme in einer intertextuellen Reihe stehen, die mehrere Medien übergreift (wobei populäre Bühnenformate wie das café concert, die music hall usw. weitestgehend ausgespart blieben, obwohl das Nummernprinzip in den Filmen ausgeprägt ist). Es ist eine Welt, zu der die Musik wesenhaft dazugehört, so Wiemers These, weshalb die traditionellen Unterscheidungen von intra- und extradiegetischer Musik zumindest fragwürdig sind; und es sind Momente eines Leib- und Ausdrucksexzesses, den die Filme insbesondere in Tanzszenen entfalten, für die die Rhythmisierung des Geschehens von größter Bedeutung ist.

Anders ist das Bild-Ton-Verhältnis in Filmen wie Ernst Lubitschs Die Puppe (Deutschland 1919) beschaffen, den Marin Reljić in einer Version mit neuer Musik von Martin Smolka vorstellte. Während der Film das Motiv der verlebendigten Puppe variiert, basiert der Soundtrack auf einer der Musique concrète ähnlichen Sammlung von Realtönen, die Smolka zu einer komplexen Tonstruktur verarbeitet. Das Faszinierende an dem Beispiel ist eine ästhetische Auseinandersetzung zwischen dem Abstrakten und dem Realen: Während die Geschichte davon erzählt, wie das Imaginäre sich in das Reale wandelt, geht die Musik gerade den anderen Weg, geht vomVorgefunden-Realen aus und transformiert es in eine höchst abstrakte Klanglandschaft, die der Geschichte beigegeben ist und immer wieder die Geschichte punktuiert, rhythmisiert und ihr eine körperliche Präsenz gibt, die dem Filmbild selbst verwehrt ist – während die Beziehung des Zuschauers zum Bild immer in ästhetischer Distanz verharrt, umhüllt der Ton ihn ganz, ist vollständiger Teil des akustischen Environments der Vorführung.

Die Nähe, die musikalische und visuelle Formen eingehen können, ist kaum je so groß wie in abstrakten Animationsfilmen. Guido Heldt unternahm es, an Filmen des in England geborenen, in Kanada arbeitenden Norman McLaren (1914-1987) auf die musikvisuellen Experimente dieser Gattung hinzuweisen. Basierend auf den Überlegungen Victor Raskins zu einer kognitiven Theorie des Humors sowie auf der These Henri-Louis Bergsons, dass sich das Lachen in der Spannung zwischen Leben und Materie bzw. Bewegung und Mechanik begründe, zeigt er an Filmen wie Dots (Kanada 1940) oder Loops (Kanada 1940), wie eine aus unbekannter Quelle stammende rhythmische Erscheinung von Punkten und anderen Gestalten auf der monochromen Leinwand ursächlich mit den Sounds verbunden wird, wie sich in der Zeitlinie einerseits rhythmische Ton-Punkt-Verbindungen einstellen und sich gleichzeitig die Punkte, an denen die Gestalten auf der Bildfläche sichtbar werden, zu visuellen Gestalten zusammenschließen. Werden aus den Punkten figurale Gebilde, die sich im Rhythmus der Musik auf der Leinwand bewegen (wie in Boogie Doodle, Kanada 1941), setzt ein dem Bewusstsein kaum noch zugänglicher Fluss von Wahrnehmungssynthesen und -hypothesen ein, der gelegentlich durch musikalische Pausen oder Breaks unterbrochen wird, um umso vehementer wieder einzusetzen. Die filmische Form bietet keine übergreifenden Strukturen an, eine Story lässt sich ebenso wenig synthetisieren wie ein Kontinuum der Figuren. Das Präsentische und das Bewegliche mancher Formen des Musikerlebens dominiert sowohl den Film wie die Rezeption. Das avantgardistische Programm einer „visuellen Musik“, das die Geschichte des abstrakten Musikfilms seit den 1920ern immer wieder beeinflusst hatte, hat hier Gestalt gewonnen.

Natürlich markieren die Filme McLarens einen Extrempunkt filmischer bzw. filmisch-musikalischer Form, der aber bedeutsam ist, weil sich die Fragen nach der Interaktion des Filmischen mit dem Auralen hier um so schärfer stellen – Fragen nach der Interaktion der beiden Grundelemente einer multimodalen Kunstform, nach den Bezügen zwischen der Beweglichkeit der Musik (Takt, Tempo, sequentieller Gliederung usw.) und der Beweglichkeit des Repräsentischen des Films bis zur Rhythmisierung der Aktionen (einschließlich der Dialoge) ohne die Unterstützung der Musik. Selbst ein Schriftfilm wie Rythmetic (Kanada 1956), der an die Rätselstrukturen der Zahlenreihen aus Intelligenztests erinnert, etabliert den genannten Flow der Aneignung. Der Film ist einzig mit einem abstrakten Ton unterlegt, der mit dem Wechsel einzelner Zahlen und Zeichen der Zahlenreihen koordiniert ist, in dieser Abstraktheit aber wiederum rhythmische Muster ausbildet.

Filme wie die von McLaren sind asemantisch, möchte man konstatieren, ganz auf das visuell-akustische Objekt selbst konzentriert. Alle semantischen Überschüsse werden ihnen in der Rezeption zugeordnet, sind aber nicht mit einer erkennbaren semantischen Intentionalität des Films verbunden. Das ist in allen anderen Formen des Humorösen, denen die Tagung gewidmet war, anders. Das Humoröse hat enge Berührung mit einer ästhetischen und epistemischen Distanz des Zuschauers zum Film, das zeigten fast alle Beispiele. Dass das Lachen des Zuschauers nur eine jeweils besondere Form des Humorvollen anzeigt – auch das war schnell klar. Lachen ist sicherlich Anzeichen eines denkenden Zuschauers, der sich der grotesken Widersprüche des Gesehenen, der Fatalität der Entwicklung (die dennoch nicht in die finale Katastrophe führt), der Karnevalisierung eines eigentlich ritualisierten Geschehens durchaus bewusst ist. Das Humoröse grenzt an eine anarchistische Tendenz, in der Ordnungen zumindest zweitweise zerstört werden, in der hehre und große Absichten unerfüllt bleiben, in der die hohle Geste als leeres Ritual enttarnt wird. Aber es deutet auch auf eine Freude an Bewegung und Körperlichkeit hin, die tiefe Register der – vor allem körpervermittelten – Rezeption von Filmen anspricht. Das Witzige, das Lachhafte, das Ironische oder das Zynische, das Heitere, das Immersive – kaum ein Modus der medial vermittelten Kommunikation interagiert mit so vielen Modi des In-der-Welt-Seins wie das Humorvolle. Ein erstes Ergebnis einer dreitägigen Tagung, die von der Prägnanz der Beispiele ebenso geprägt war wie von der Intensität der Diskussionen.