Rabab & Rebec. Fellbespannte Streichinstrumente des späten Mittelalters und der Renaissance und ihre außereuropäischen Verwandten

Bern, 28.-30.04.2023

Von Marina Haiduk, Bern – 28.02.2024 | Vom 28. bis zum 30. April 2023 fand an der Hochschule der Künste Bern (HKB) das internationale Symposium „Rabab & Rebec. Fellbespannte Streichinstrumente des späten Mittelalters und der Renaissance und ihre außereuropäischen Verwandten“ statt. Von der Veranstaltung wurde ein Online-Streaming angeboten, das nicht nur vom Publikum genutzt wurde – auch drei Referent*innen machten von dem Angebot Gebrauch, darunter Ihor Khodzhaniiazov, für dessen Zuschaltung aus der Ukraine diese Möglichkeit eingerichtet wurde.

Der Haupttitel der Veranstaltung nimmt Bezug auf das 2019 bis 2023 an der HKB angesiedelte interdisziplinäre Forschungsprojekt „Rabab und Rebec“, das vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wurde. Nach einer ersten Projekttagung im November 2021, in der das mittelalterliche Rabab im Fokus stand, umschließt der thematische Bogen diesmal fellbespannte Streichinstrumente unterschiedlichster zeitlicher und geographischer Herkunft. Die Anwendungsorientierung und das Anliegen des Forschungsprojekts, die weitgehend vergessenen Instrumente durch ihre Rekonstruktion in ihrem musikalischen Kontext erklingen zu lassen, spiegelten sich dabei im Programm wider.

So wurden wissenschaftliche Beiträge, die selbst einen mal mehr, mal weniger starken Praxisbezug aufwiesen und die Instrumente in Bezug zu zahlreichen Text-, Bild- und musikethnologischen Quellen setzten sowie breit kontextualisierten, mit musikpraktischen Programmelementen und einem Einblick in die Herstellung des für die Felldecke genutzten Pergaments kombiniert. In sechs über drei Tage verteilten Panels mit insgesamt 16 Vorträgen kamen Referent*innen mit ganz unterschiedlichem beruflichen Hintergrund zu Wort und stellten ihre Arbeit in englischer, deutscher oder französischer Sprache vor.

Mit dem Grußwort von Thomas Gartmann (Bern), dem Projektverantwortlichen und Leiter der Forschung der HKB, wurde das Symposium eröffnet. Nach einer thematischen Einführung durch den Projektleiter Thilo Hirsch (Bern) widmete sich das erste Panel der Musikikonographie als Methode. Diese spielt in Ermangelung von vollständig erhaltenen Originalen bei der Rekonstruktion von Musikinstrumenten aller Art eine wichtige Rolle.
Die Historikerin Martine Clouzot (Dijon) ordnete im ersten Vortrag des Symposiums am Beispiel profaner Marginalien in illuminierten Handschriften Begriff und Methodik der Musikikonographie ein und rief zu einem kritischen Umgang mit künstlerischen Darstellungen von Instrumenten als Annäherung an eine Wahrscheinlichkeit auf. Dem Vortrag mit einem klaren Fokus auf einer qualitativen Auswertung von Kunstwerken als Quellen schlossen sich zwei Vorträge an, in denen die quantitative Auswertung im Vordergrund standen.

Jurij Dobravec (Ljubljana) stellte am Beispiel des Portativs eine funktionale Analysemethode vor, die anhand der Ikonographie als Modell die Interpretationsebenen von Prä-Organographie, Organographie und Organologie entwickelt. Barry Pearce (Winchcombe) beschäftigte sich mit den praktischen Herausforderungen der Aufbereitung und Auswertung digitaler Abbildungen von Kunstwerken, auf denen Streichinstrumente dargestellt sind. Fragen der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands und der adäquaten Terminologie stellten sich ihm genauso wie jene des Datenmanagements und der Nutzung künstlicher Intelligenz.

Im zweiten Panel widmeten sich zwei Kunsthistorikerinnen den verschiedenen Darstellungskontexten von Rabab und Rebec. Es wurde von Yuko Katsutani (Strasbourg) mit einer Fallstudie zu den Darstellungen musizierender Engel in Saint-Bonnet-le-Chateau und Le Mans eröffnet, die in eine Analyse ihres Funktionszusammenhangs eingebettet war. Dass Rabab und Rebec in der bildenden Kunst ab einem bestimmten Zeitpunkt vor allem in den Händen von Engeln gezeigt wurden, hat ebenfalls Marina Haiduk (Bern) zeigen können, die eine Auswahl an typischen Sujets vorstellte und deren zeitliche und geographische Verbreitung auch anhand individueller Biografien verfolgt hat.

Der zweite Tag begann mit einem Panel zum Rabab und verwandten Instrumenten in Italien. Dafür befragten die beiden Musikwissenschaftler und Musiker Jacob Mariani und Thilo Hirsch italienische Bildquellen. Das Hauptaugenmerk von Jacob Mariani (Oxford) lag dabei auf Darstellungen des Hl. Genesius, der unter anderem als Patron der Musiker und Spielleute bekannt ist. Thilo Hirsch stellte seine anhand der italienischen Rabab-Darstellungen entwickelte These vor, dass es im 15. Jahrhundert grundsätzlich möglich gewesen wäre, Ensembles aus Rababs in drei unterschiedlichen Stimmlagen zu bilden. Diese Einschätzung bildete die Grundlage der drei von ihm in der Basler Orgelbauwerkstatt Fleig in unterschiedlichen Größen rekonstruierten Rabab-Prototypen, die im anschließenden Workshop mit modaler Improvisation zum Einsatz kamen. Diesen führte Hirsch gemeinsam mit Peppe Frana (Napoli) und Félix Verry (Lyon) durch.

Das vierte Panel beschäftigte sich mit der Materialität von Pergament, das für die Felldecken der Rababs genutzt wurde. Die nötigen Bearbeitungsschritte, die ein Tierfell in Pergament transformieren, stellte der Gerber Jürg Zeller (Steffisburg) vor.

Das fünfte Panel führte durch Themen rund um das Revival im 20. und 21. Jahrhundert. David R. M. Irving (Barcelona) sprach hier zu Arnold Dolmetsch und dessen Familie, die als Pioniere der historischen Aufführungspraxis gelten. So kam bereits 1928 die Rekonstruktion eines Rebec in Dreiecksform mit 4 Saiten auf dem Haslemere Festival of Early Music zum Einsatz. Johannes Beltz (Zürich) gab Einblick in ein Konvolut indischer Lauteninstrumente aus der Sammlung Fosshag, das Eingang in den Bestand des Museum Rietberg gefunden hat. Er berichtete über die Erforschung der skulptural gestalteten Instrumente, die in einem kollaborativen Projekt mit den Santal-Communities vor Ort zurück zu ihren nordostindischen Ursprüngen führte. Der zweite Teil des Panels gab den beiden Komponistinnen Abril Padilla (Strasbourg) und Eleni Ralli (Bern) jeweils die Möglichkeit, die Genese ihrer für Rabab neukomponierten Auftragswerke vorzustellen. Die beiden zeitgenössischen Stücke gelangten am Abend in Anwesenheit der beiden Komponistinnen im Moser-Saal des Bernischen Historischen Museums zur Uraufführung. Das ensemble arcimboldo spielte dort ein Konzert mit dem Titel „Rubebe, rubechette e rubecone. Alte und Neue Musik für fellbespannte Streichinstrumente, Gesang, Laute und Perkussion“.

Im Abschlusspanel „Das Rabab und weitere fellbespannte Saiteninstrumente“ präsentierte Vasileios Chatziioannou (Wien) vom Institut für Wiener Klangstil die dort vorgenommenen Klanganalysen eines marokkanischen Rabābs im Zusammenhang mit Organologie und Spieltechnik des Instruments. Weiter standen verwandte Saiteninstrumente unterschiedlichster Herkunft im Fokus. Leonardo Medina (Aveiro) stellte die brasilianische Rabeca vor, Ihor Khodzhaniiazov (Winnyzja) das Cobuz cumanicus und Emin Soydaş (Çankırı) das Ottomanische Kopuz. Eine Schlussdiskussion in Form eines Runden Tischs beendete den formellen Teil des Symposiums, das mit der praktischen Möglichkeit ausklang, die Instrumente selbst auszuprobieren.

Es ist geplant, Schriftfassungen ausgewählter Tagungsbeiträge in einem Sammelband bei der Edition Argus zu veröffentlichen.